Wirbel um Jatta: Droht HSV-Shootingstar die Abschiebung?
Hamburg – Beifall brandete auf, als Bakery Jatta die Mannschaft des Fußball-Zweitligisten Hamburger SV am Donnerstag auf den Trainingsplatz führte.
Wegducken oder gar verkriechen nach den Vorwürfen, er könnte mit falscher Identität in Deutschland leben, kamen für den Offensivspieler nicht infrage. Rund 400 Fans, etwa so viele wie beim Saisonstart, waren zur einzigen Trainingseinheit des Tages erschienen. Jatta lief vorweg, die Mannschaft folgte geschlossen. Das Bild hatte Symbolcharakter.
Dazu passte die Erklärung von Sportvorstand Jonas Boldt, die der Verein wenige Minuten vor Trainingsstart veröffentlicht hatte. Boldt beklagte, der 2015 aus Gambia nach Deutschland gekommene Jatta sei «teilweise einem gesellschaftlichen Spießrutenlauf» ausgesetzt. «Wir stehen voll hinter Bakery und werden ihn auch weiterhin voll umfänglich im Trainings- und Spielbetrieb einplanen, zumal er ein wertvoller Spieler und voll integrierter, geschätzter Teamkollege ist», erklärte der Sportvorstand.
Jatta habe seit drei Jahren einen gültigen Pass und eine Spielerlaubnis für den Fußball-Zweitligisten, versicherte Boldt. «Für uns ist es nicht akzeptabel, dass diese Spielberechtigung aufgrund von Vermutungen angefochten wird.» Laut einem Bericht der «Sport Bild» soll es Zweifel an Jattas Identität geben.
Sollten Jattas Angaben jedoch nicht stimmen, droht dem Linksfuß Ungemach. Dieses könne bis zur Abschiebung führen, sagte Falko Droßmann, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, dem «Hamburg-Journal» des NDR-Fernsehens. Die Gründe für die damalige Duldung seien «ja dann weggefallen». Das Bezirksamt hat unterdessen das Anhörungsverfahren eröffnet und Fragebögen erstellt.
Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) prüft die Identität Jattas. Der Gambier spielt seit 2016 beim HSV und steht bis 2024 unter Vertrag. Bis 2022 läuft seine erst im Mai verlängerte Aufenthaltsgenehmigung. Jatta äußerte sich zu dem Bericht noch nicht. Nach dem Einspruch des 1. FC Nürnberg gegen die 0:4-Niederlage am Montag hat das DFB-Sportgericht die Hamburger um eine Stellungnahme gebeten.
Laut «Sport Bild» könnte Jatta einen anderen Namen haben und älter als angegeben sein. Sollte er bei seiner Einreise nach Deutschland schon volljährig gewesen sein, könnte er ein Problem bekommen: Nur alleinreisende minderjährige Flüchtlinge erhalten in der Regel eine Duldung und dürfen im Land bleiben.
Grundsätzlich schiebt Hamburg auch Menschen aus Gambia in ihre Heimat ab. In der Praxis geschieht dies aber selten, ermittelte das «Hamburger Abendblatt»: Laut Ausländerbehörde wurden 2018 drei Menschen in das westafrikanische Land zurückgebracht, 2019 noch niemand.
Als Jatta nach seinen Angaben als 17-Jähriger nach einer abenteuerlichen Flucht nach Norddeutschland kam, wurde er zunächst für ein halbes Jahr von der Akademie Lothar Kannenberg, einer Jugendhilfe- und Bildungseinrichtung im niedersächsischen Bothel in der Nähe von Bremen, aufgenommen und gefördert. Dann landete er nach einem Probetraining beim HSV und erhielt – kurz nach seinem angeblichen 18. Geburtstag im Juni 2016 – einen Kontrakt bis 2019, der mittlerweile bis 2024 verlängert wurde. Es schien das Happy End zu sein.
Der HSV ließ 2016 mit medizinischen Methoden Jattas Alter untersuchen, weil damals Zweifel an seinem jugendlichen Alter lautgeworden waren. Der damalige Sportchef Peter Knäbel sagte, es sei festgestellt worden, dass «die biologische Entwicklung abgeschlossen ist». Trotzdem kam es zum Vertragsabschluss.
Nach schwierigem Beginn ist der spurtstarke Offensivspieler inzwischen zum Leistungsträger beim HSV aufgestiegen. Sein aktueller Marktwert laut transfermarkt.de: 2,5 Millionen Euro. Die Fans jedenfalls lieben ihn. Als das Training am Donnerstag vorbei war, schrieb ein Profi ohne Unterlass Autogramme: Jatta.
Fotocredits: Christian Charisius
(dpa)