Wintersportorte für Klimawandel gerüstet
München – Weihnachtsferien in den Bergen – und wieder
einmal gibt es kaum Schnee. Doch Frust und Langeweile kommen bei
Touristikern und Wintergästen deshalb nicht auf. Viele
Urlaubsregionen in Österreich und Bayern sind mittlerweile gut
vorbereitet auf schneearme Winter.
Seit Jahren investieren sie
kräftig in Alternativen – von der künstlichen Beschneiung bis hin zu
Wellness- und Kulturangeboten. Über mangelnde Buchungen oder gar
Stornierungen können sie sich nicht beklagen: Sowohl Österreich als
auch Bayern rechnen mit mehr Gästen und Übernachtungen in der
laufenden Wintersaison.
So hat Jutta Griess, Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes
in Garmisch-Partenkirchen, keinen Buchungsrückgang registriert. «Wir
sind Gott sei dank eine Ganzjahresdestination. Wir sind relativ gut
aufgestellt und können Alternativen schaffen.» Wellness und Wandern
lockten auch ohne weiße Pracht – «und wenn Schnee liegt, ist es halt
Schneeschuhwandern». Die Gäste seien trotz Schneemangels keineswegs
unzufrieden. Sie hätten viel Sonnenschein gehabt in diesen Tagen.
«Und wenn sie wirklich Schnee haben möchten, gehen sie in die Gondel
und sind im Skigebiet.»
Auch beim Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte schätzt man
die Lage als nicht dramatisch ein. «Auch tiefer gelegene Gebiete sind
geöffnet. Von daher sieht es nicht so schlecht aus», sagt eine
Verbandssprecherin. «Es sind keine idealen Bedingungen, aber der
Skibetrieb läuft.» In Garmisch-Partenkirchen waren nach Weihnachten
von knapp 48 Kilometern Piste nur 19 geöffnet, in Oberstdorf konnten
die Skifahrer auf 18,5 von 34,5 Kilometern ihre Schwünge ziehen –
auch mit Hilfe von Schneekanonen. Selbst Langläufer gewöhnen sich
inzwischen daran, auf schmalen weißen Bändern in ansonsten grüner
Landschaft ihre Runden zu ziehen.
«Grundsätzlich warten wir alle auf Niederschläge, am besten als
Schnee.» Ohne Schneekanonen wäre vermutlich manche Piste noch
gänzlich grün. «Die Beschneiungsanlagen helfen sicher, die Saison gut
zu starten und das auszugleichen.» Im Skigebiet rund um den Feldberg
in Baden-Württemberg dagegen macht das derzeit wegen relativ milder
Temperaturen keinen großen Sinn. Auch im Südwesten helfen
Liftbetreiber während der Saison aber teils mit Schneekanonen nach –
und die Hoteliers wollen mit Alternativangeboten beispielsweise
Wanderurlauber in die Region locken.
Beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband ist man derweil guter
Dinge. Viele Wintergäste in Bayern seien nicht oder zumindest nicht
nur auf Skifahren, Rodeln und Langlaufen aus, sagt Verbandssprecher
Frank-Ulrich John. Sie gehen wandern, bummeln in aller Ruhe durch die
Geschäfte oder genießen den Komfort eines Wellness-Hotels mit Sauna,
Dampfbad und anderen Annehmlichkeiten. «Der sanfte Tourismus ist viel
mehr im Kommen», sagt John.
Noch stärker als Bayern hat sich Österreich gegen die Schneearmut
gewappnet – zumal der Skitourismus für viele österreichische
Urlaubsregionen das Kerngeschäft ist. Seit dem Jahr 2000 haben die
Seilbahn-Betreiber der Alpenrepublik rund eine Milliarde Euro in
Schneekanonen und die nötige technische Infrastruktur investiert. Ein
schneearmer Winter vor zehn Jahren habe einen letzten Ruck gegeben,
sagte der Sprecher des «Allianz Zukunft Winter», Franz Schenner.
Für diese Strategie sieht Schenner keine Alternative. «Der technische
Schnee ist die Überlebensstrategie für den Wintertourismus.» In
manchen Orten kämen 80 bis 90 Prozent der Gäste allein wegen des
Skivergnügens. Einzelne große Skigebiete hätten rund 1000 Skikanonen
im Einsatz. Es gebe praktisch keine Orte mehr, die nicht beschneien
könnten. Die Kosten dafür ließen sich allemal rechtfertigen. «Das
Teuerste wären leere Betten», sagte Schenner.
Erstmals gab es die maschinell erzeugten Flocken großflächig in der
Schweiz im Jahr 1978 – dort können heute rund 40 Prozent der
Pistenflächen künstlich beschneit werden. Der Deutsche Alpenverein
kämpft seit langem gegen die Anlagen samt der dafür nötigen
Speicherseen. Stattdessen fordert er angesichts von Klimawandel und
schwindenden Schneemengen alternative Tourismuskonzepte und fördert
das Netzwerk der
Bergsteigerdörfer.
In Deutschland und Österreich haben sich bereits 21 Orte
angeschlossen und werben mit «Klasse statt Masse – Genuss statt
Hektik». Sie verzichten bewusst auf Schneekanonen sowie den Bau neuer
Lifte oder Funparks. «Unsere Bergsteigerdörfer haben alle ein viel
wertvolleres Kapital: unverfälschte alpine Landschaft und Natur,
gelebte Traditionen, regionale Produkte hoher Qualität, Authentizität
und Affinität zum Bergsport», heißt es beim DAV.
Ausschließlich auf das künstliche Weiß müssen die Wintersportgebiete
aber ohnehin nicht setzen, denn in Teilen der Nordalpen ist Neuschnee
gefallen. In anderen Regionen soll er nach Silvester für Natur-Weiß
sorgen.
Fotocredits: Karl-Josef Hildenbrand
(dpa)