Wie Hüttenbetreiber gegen Bettwanzen vorgehen

Garmisch-Partenkirchen – Erst mal Mikrowelle. Wer auf dem Weg zur Zugspitze an der Knorrhütte ankommt und dort vor dem Anstieg auf Deutschlands höchsten Berg übernachten möchte, muss seinen Hüttenschlafsack am Eingang in das Küchengerät stecken: 30 Sekunden bei 600 Watt.

Denn im Schlafsack reisen gelegentlich ungebetene Gäste mit: Wanzen. Auch Nachbarhütten haben solche Geräte angeschafft. Nicht nur im Zugspitzgebiet, sondern auch im Kaisergebirge, im Allgäu und in Österreich hatten sich die Plagegeister in der Vergangenheit in einigen Unterkünften des Deutschen Alpenvereins (DAV) eingenistet. Nun verstärken die Wirte ihre
Maßnahmen.

Übertragung durch den Hüttenschlafsack

«Der Bergwandertourismus hat zugenommen – und damit die Möglichkeit der Verbreitung von Bettwanzen», sagt Thomas Gesell, Hüttenreferent der DAV-Sektion München. Der Hüttenschlafsack sei der Übertragungsweg Nummer eins; zu 70 Prozent würden die Tiere darüber eingeschleppt. Die Mikrowelle habe sich schon bewährt. Das sei sinnvoll und gut zu handhaben, «und die Gäste nehmen das an.»

Teils basteln Wirte an Bettgestellen Fallen aus Doppelklebestreifen, damit die Blutsauger hängen bleiben, wenn sie nächtens aus ihren Verstecken krabbeln, um sich an die Schlafenden heranzumachen. Manche Wirte lassen Wanzenspürhunde durch die Schlafräume schnüffeln.

Ein Hund inspizierte gerade die Jamtalhütte bei Galtür in Österreich. «Wir haben letzten Sommer Wanzen bekommen», sagt Hüttenwirt Gottlieb Lorenz. Eingeschleppt aus einer Nachbarhütte. «Wir haben das ganze Haus behandelt und dann Ruhe gehabt den ganzen Winter.» Leichte Verzweiflung schwingt in seiner Stimme: «Jetzt haben festgestellt, dass wir in zwei Zimmern wieder Wanzen haben.»

Kammerjäger und «Bug Bags» sollen helfen

Erst am 30. Juni hat Lorenz für die Sommersaison eröffnet. Nun heißt es wieder: «Fußleisten weg, Löcher in Holzwände bohren, Steckdosen wegschrauben.» Damit der Kammerjäger die Tiere in Ritzen und unter Leisten erwischt. Dreimal wird der Experte kommen: Einmal gleich, dann nach zwei Wochen und nochmals nach weiteren zwei Wochen.

Alexander Egger, Wirt des Anton-Karg-Hauses im Kaiser-Gebiet schwört auf «Bug Bags», Säcke, in denen Rucksäcke samt Schlafsack und Kleidung außerhalb der Schlafräume bleiben. Gerade in gebrauchter Wäsche sitzen Wanzen gern. «Was sie anlockt, ist Schweiß.» Er verheißt die Nähe eines Menschen – und sein Blut. Gäste bekommen von Egger einen frischen Hüttenschlafsack. «Wir haben große Waschmaschinen, in denen wir die Schlafsäcke jeden Tag waschen.» Auf abgelegenen Hütten wäre dieser Aufwand freilich undenkbar.

Die DAV-Sektion Garmisch-Partenkirchen hat gerade teilweise ihre Decken ausgewechselt: statt braun oder rötlich jetzt hellblau. «Blutflecken sieht man da besser», sagt Toni Bräckle, zuständig für Hütten bei der Sektion. Auch die ein bis acht Millimeter großen Tiere sind besser zu erkennen, die Decken sind zu 50 Prozent aus Polyester und werden bei bis zu 60 Grad gewaschen. Den 30-Grad-Waschgang einer Wolldecke kann eine Wanze schon mal überleben. Diese Decken seien zwar wärmer, aber auch kratzig, sagt Bräckle. «Das mag heutzutage sowieso niemand mehr.»

Auch andere Unterkünfte kämpfen mit der Plage

Die Hütten sind mit dem Problem nicht allein. Unterkünfte weltweit kämpfen mit der Plage. Schlimm war es eine Zeit lang in Australien, auch aus den USA berichten Heimkehrer von den lästigen Bettgenossen. «Seit den 1990er Jahren beobachtet man weltweit eine Zunahme beim Auftreten dieser Wanzen», sagt die Biologin und Schädlingsexpertin beim Umweltbundesamt, Carola Kuhn. Die Tiere werden aus dem Urlaub im Reisegepäck mit heim genommen, etwa in gebraucht gekauften Gegenständen. «Reisen weltweit – das ist der typische Ausbreitungsweg für die Wanzen», sagt Kuhn. «Die wesentliche Ursache für die Zunahme wird darin gesehen, dass sie resistent sind gegen Wirkstoffe, deshalb schwerer zu bekämpfen sind und sich stärker ausbreiten.»

Mario Heising, Vorsitzender des Landesverbandes Berlin/Brandenburg des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbandes, berichtet von einer Zunahme der Einsätze der Mitgliedsunternehmen in dieser Region und von seinen eigenen Erfahrungen. «In der DDR habe ich pro Jahr vielleicht eine Bettwanze bekämpfen müssen, weil grad mal Studenten aus Moskau zurückkamen und Bücher mitgebracht haben», sagt Heising. Mitte der 1990er Jahre nach der Öffnung der Grenzen sei es etwa einmal im Monat gewesen. «Jetzt ist es jeden Tag.»

Günstige Absteigen seien genauso betroffen wie teure Hotels. «Das hat mit billig oder teuer nichts zu. Das größte Problem sehe ich in der Unehrlichkeit», sagt Heising. Lange wurde das Thema tabuisiert. Viele wussten nicht einmal, was da krabbelt: Da seien diejenigen gewesen, die meinten, einen Käfer im Hotel zerdrückt zu haben, «und sich gewundert haben, warum sie zerbissen sind». Heising bekämpft die Tiere teils, indem er Räume extrem aufheizt, oder mit chemischen Mitteln, die etwa die Häutung der Tiere unterbinden oder deren Stoffwechsel stören.

Bettwanzen sind ungefährlich

Bettwanzen hätten nichts mit Hygienemängeln zu tun, sagt die Biologin Kuhn. «Das Problem ist, dass sie häufig gar nicht in den Decken sitzen, sondern hinter Leisten oder in Ritzen. Da können Sie putzen, wie sie wollen – da kommen Sie gar nicht dran.»

Viele Menschen reagierten stark auf die Stiche – und manchen machten die Krabbeltiere auch psychisch zu schaffen. «Viele klagen über Schlafstörungen und psychische Belastungen, da die Tiere ja in den Rückzugsorten der Menschen leben – zum Beispiel im Bett», sagt Kuhn. Dennoch gibt es eine gute Nachricht: Darüber hinaus sind Wanzen ungefährlich. «Sie sind nicht dafür bekannt und man konnte bisher nie nachweisen, dass sie Krankheitserreger auf den Menschen übertragen.»

Fotocredits: Angelika Warmuth
(dpa)

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