Werder gegen HSV: Das Duell der Enttäuschten
Hamburg – Seit 100 Tagen schon wartet der Hamburger SV in der Fußball-Bundesliga auf einen Sieg – und zum Jubiläum droht dem Tabellenvorletzten ausgerechnet beim ungeliebten Nordrivalen Werder Bremen der nächste Tiefschlag.
Andererseits kann der HSV mit einem Erfolg im Derby der Enttäuschten nicht nur sich selbst helfen, sondern die Bremer wieder tief in den Abstiegskampf hineinziehen. «Es ist ein wichtiges Spiel, bei dem alles passieren kann. Wir müssen mit kühlem Kopf rangehen, aber mit heißem Herzen», sagte Hamburgs Trainer Bernd Hollerbach.
Für den HSV wäre eine Niederlage am Samstag (18.30 Uhr) im Weserstadion wohl noch schlimmer als das Scheitern im Jahr 2009. Damals zermalmten die Bremer binnen 19 Tagen die Hoffnungen der Hamburger gleich in drei Wettbewerben. Wie tief die beiden Konkurrenten abgerutscht sind, zeigt genau dieser Blick zurück in jene Zeit, als Werder und der HSV noch europäisch spielten. Seit einigen Jahren geht es bei den Nordderbys fast durchgängig um den Klassenerhalt.
Für den HSV ist der Druck besonders groß. Bei sechs Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz hilft den seit dem 26. November (3:0 gegen 1899 Hoffenheim) auf einen Sieg wartenden Hamburgern nur ein Erfolg, um im Kampf gegen den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte nicht fast aussichtslos zurückzufallen. Auch wenn Hollerbach davon nichts wissen will. Trotzig sagte der Coach: «Bei einer Niederlage haben wir immer noch zehn Spiele. Die Messe ist noch lange nicht gelesen.»
Als Profi hatte der 48-Jährige öfter an der Weser gewonnen. Allerdings ist er selbst sehr viel länger als sein Club ohne Erfolgserlebnis. Saisonübergreifend wartet der 48-Jährige schon seit 14 Monaten auf einen Sieg: Den letzten feierte er mit dem späteren Absteiger Würzburger Kickers in der 2. Liga beim 3:0 über den VfB Stuttgart am 18. Dezember 2016. Von Mai 2017 bis Januar 2018 hatte Hollerbach allerdings keinen Job.
Allen miesen Serien zum Trotz kommt Aaron Hunt das Prestigeduell bei seinem Ex-Club gerade recht, um den Negativlauf zu beenden und Werder hinunterzuziehen. «Es ist die große Chance, etwas geradezurücken», sagte der Spielmacher, der zehn Jahre das Werder-Trikot getragen und in 285 Pflichtspielen 51 Tore erzielt hat. Hunt spielte auch für die Bremer, als diese dem HSV im Frühjahr 2009 alle Chancen in gleich drei Wettbewerben raubten und den Nordrivalen in der Bundesliga sowie im Halbfinale des DFB-Pokals und der UEFA-Cups besiegten.
Solche Sorgen hätten die Hamburger heute gern. Anno 2018 geht es in Bremen und eine Woche später im Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 um die vielleicht letzten Chancen auf Erstliga-Zugehörigkeit. Hunt übt sich in Zweckoptimismus. «Ich bin überzeugt, dass wir aus unserer Situation herauskommen. Ich bin noch nie in meiner Karriere abgestiegen und dabei soll es auch blieben», erklärte der Routinier.
Der 31-Jährige räumt vor dem Auftritt an alter Wirkungsstätte jedoch ein, dass der anhaltende Existenzkampf den Profis aufs Gemüt schlägt. «Die Abstiegsangst ist in den Köpfen und belastet vor allem die jüngeren Spieler. Da helfen nur Erfolgserlebnisse», erklärte Hunt.
Davon hatten zuletzt die Bremer einige mehr. Dennoch will Florian Kohfeldt auch bei einem Heimsieg nichts von einer Vorentscheidung wissen. «Der Abstiegskampf geht danach weiter, egal wie die Partie am Samstag ausgeht», sagte der Werder-Coach. Sein Mitleid mit den Hamburgern hält sich in Grenzen. Ob ihm der der HSV im Fall des Abstiegs fehlen würde? «Am allermeisten würde mir Werder Bremen in der Liga fehlen», sagte er.
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(dpa)