«Wahnsinn, oder?» – Die Schalker Comeback-Könige der Liga
Frankfurt/Main – Man stelle sich ein Spiel vor, das jede Woche mit einem Rückstand beginnt. Und in dem jede Mannschaft nur zehn, maximal 20 Minuten Zeit hat, um diesen Rückstand aufzuholen. In diesem Spiel hätte der FC Schalke 04 gute Chancen, endlich einmal wieder deutscher Meister zu werden.
In der Fußball-Bundesliga wird das nach Lage der Dinge auch in dieser Saison nichts. Aber immerhin haben sich die Schalker in der Hinrunde zu den Comeback-Königen der Liga entwickelt. Erst ein 4:4 nach 0:4 in Dortmund. Und jetzt ein 2:2 nach 0:2 im Spiel bei Eintracht Frankfurt. In beiden Fällen gelang dem Brasilianer Naldo erst in der Nachspielzeit der Ausgleich. «Ich glaube, in Gelsenkirchen werden bald viele Jungen den Namen Naldo tragen», witzelte Schalkes Kapitän Ralf Fährmann in einem Radiointerview von WDR2.
Der Torschütze selbst wanderte quasi direkt nach seinem Jubellauf in die Schalker Fankurve weiter zu den Kameras des TV-Senders Sky. «Wahnsinn, oder?», sagte Naldo noch voller Adrenalin. «Unsere Mannschaft ist einfach geil. Gegenüber der vergangenen Saison haben wir das in der Hinrunde sehr gut gemacht. Wir sind nicht nur elf Stammspieler, alle sind im Boot. Die Jungs geben einfach alles.»
Schalke 04 feiert jetzt Weihnachten auf einem Champions-League-Platz und hat in der Hinrunde stolze 30 Punkte geholt. Diese Bilanz strahlt umso heller, wenn man vom Ende des Jahres 2017 noch einmal auf dessen Anfang zurückschaut. Auch am 27. Januar hieß der Gegner Eintracht Frankfurt. Nur fielen die Schalker seinerzeit auf Platz elf zurück und verloren ein völlig deprimierendes Heimspiel mit 0:1.
Immerhin sieben Spieler von damals waren auch diesmal dabei, aber die Schalker Mannschaft ist trotzdem eine andere. Sie wird jetzt überall für ihre «außergewöhnliche Mentalität» (Sportchef Christian Heidel) gelobt. Und sie hat jetzt einen Trainer, dem sie bedingungslos folgt.
«Wir pushen uns gegenseitig. Die Spieler glauben bis zum Schluss an sich. Das macht einfach Spaß», sagte Domenico Tedesco. Der Schalker Chefcoach bekam Naldos Ausgleichstor (90.+5 Minute) nicht einmal live mit, weil er kurz zuvor vom Schiedsrichter wegen Reklamierens in die Kabine geschickt worden war. Aber das war dem 32-Jährigen hinterher egal. «Unsere Entwicklung ist super», sagte er. Und die ließe sich mit einem Sieg im DFB-Pokal-Achtelfinale am Dienstagabend gegen den 1. FC Köln (20.45 Uhr/ARD und Sky) sogar noch krönen.
Allerdings sollte auch der leidenschaftlichste Schalker nicht übersehen: Der rasante Wiederaufstieg der «Königsblauen» sagt auch viel über den Zustand der Bundesliga am Ende des Jahres 2017 aus.
Frankfurt gegen Schalke war immerhin das Topspiel dieses Hinrunden-Finals – und zu sehen waren dabei: eine Mannschaft, die große Defizite im Spielaufbau besaß (Frankfurt). Und eine Mannschaft, die trotz klarer Überlegenheit kaum Torchancen kreierte (Schalke). Die Erkenntnis nicht nur dieser Partie ist deshalb: Spielerische Mängel verzeiht diese Liga oft. Nur wer nicht gut verteidigt oder als Verbund nicht kompakt genug agiert, bekommt ein Problem.
Das alles wirkt sich auf die Qualität vieler Spiele aus und ist auch einer der Gründe dafür, warum so viele deutsche Vereine im Europacup so früh scheitern. Aber Trainer wie Tedesco und auch Frankfurts Niko Kovac ziehen aus dieser Entwicklung ihre konsequenten Schlüsse. Sie kennen die Grenzen ihrer Teams, sie stellen sie nahezu perfekt auf den Gegner ein – und sie kommen damit in dieser Liga sehr weit.
Dass seine Mannschaft ihre 2:0-Führung durch Tore von Luka Jovic (2.) und Sebastien Haller (65.) noch verspielte, dass Schalke in diesem Spiel durch Breel Embolo (82.) und eben Naldo noch einmal spät zurückkam – das ärgerte Kovac nur kurz. «Wir haben heute gegen einen sehr, sehr starken Gegner gespielt», lobte der Frankfurter Coach.
Fotocredits: Hasan Bratic
(dpa)