Von Franken bis nach Holstein: Deutschland, deine Schweizen!
Pirna/Buckow (dpa/tmn) –
Sächsische Schweiz,
Fränkische Schweiz oder Holsteinische Schweiz: Wer mit dem Auto durch Deutschland reist, dem fällt es beinahe schwer, nicht durch eine Schweiz zu kommen – so oft gibt es die Bezeichnung hierzulande.
Es finden sich Exoten wie Kollesleuker Schweiz, Ischenröder Schweiz oder Stormarnsche Schweiz. Aber natürlich auch einige bekannte Urlaubsregionen. In den meisten Regionen ist die Bezeichnung historisch gewachsen und keine Erfindung einfältiger Marketingleute. So ist es zum Beispiel bei der berühmten Sächsischen Schweiz, die zum Elbsandsteingebirge gehört, das sich bis nach Tschechien erstreckt.
Die Schweizer Künstler Adrian Zingg und Anton Graf kamen ab dem Jahr 1766 häufig in die Region um Dresden, um zu malen. «Sie sollen den Begriff Sächsische Schweiz geprägt haben, da sie sich an ihre Heimat erinnert fühlten», heißt es beim Tourismusverband Sächsische Schweiz. Weitere Künstler wie Caspar David Friedrich folgten. Heute gibt es dort den 112 Kilometer langen Malerweg. Die Sächsische Schweiz wurde also tatsächlich von Menschen als solche geadelt, die wussten, wovon sie sprachen. Ein Prädikat.
Auch in der
Märkischen Schweiz im Osten Brandenburgs geht man davon aus, dass Schweizer Kunststudenten der Dresdner Akademie Anfang des 19. Jahrhunderts die Umgebung erwanderten. Dabei kamen sie auf den Vergleich mit ihrer Heimat. Die ersten Ansichtskarten mit dem offiziellen Namen «Buckow – Märkische Schweiz» wurden um 1900 herausgegeben. Der Beiname Schweiz sei «ein Markenzeichen für Frieden und Verständigung, für regionale Identität wie auch für globale Vernetzung», findet Riamara Sommerschuh vom Kultur- und Tourismusamt.
Die Namensgeber von Deutschlands Schweizen waren teils von der Epoche der Romantik geprägt. Das erklärt den großzügigen Vergleich und die Schwärmerei. Das gilt auch für die Fränkische Schweiz. «Es geht natürlich um die Optik der Landschaft: Durch die Felsformationen, Flusstäler und Flora erinnert die Region an eine Schweiz im Kleinen», sagt Sandra Schneider, Leiterin der dortigen Tourismuszentrale.
Der kleinste gemeinsame Nenner der Schweizen in Deutschland ist wohl im weitesten Sinne eine schöne Natur. Der Urlauber kann dort wandern, spazieren und radeln. Ein bisschen hügelig sollte es auch sein. «Die Schweiz ist als Land klar positioniert: Dort gibt es Berge», sagt Prof. Martin Lohmann, Leiter des Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa. «Und wenn man einen Vergleich sucht, nimmt man etwas, das jeder versteht.» Hochgebirge hin oder her.
Ist Schweiz denn trotzdem ein guter Slogan? «Ja, denn was wäre die Alternative zum Beispiel zur Fränkischen Schweiz? Fränkisches Mittelgebirge? So richtig sexy klingt das nicht», sagt Lohmann. «Mir fällt wenig ein, was schönere Assoziationen weckt als die Schweiz.» Gibt es denn auch negative gedankliche Verknüpfungen? «Vielleicht eine gewisse Gemächlichkeit, etwas Betuliches», sagt Lohmann. Das haben manche Mittelgebirge in Deutschland so an sich.
Die Eidgenossen haben weder den Euro eingeführt noch sind sie in der Europäischen Union. Selbst im Zweiten Weltkrieg war die Schweiz neutral. Das überschaubare Land mit den unüberschaubaren Bankkonten wirkt wie abgeschirmt, ein Stück heile Welt mitten in Europa. «Das Bild von der Schweiz ist in gewisser Weise sorgenfrei», sagt Lohmann. Und Sorglosigkeit, weiß der Experte, passt bestens zu Urlaub.
Fotocredits: Frank Exß,Frank Richter,Hub,Thomas Grundner,Wolfram Neufeldt
(dpa)