Umstrittenes Luxus-Stadtviertel öffnet in New York
New York – Wie eine Art Schnabel ragt die spitz zulaufende, gläserne Plattform weithin sichtbar aus dem 100. Stockwerk des Wolkenkratzers «30 Hudson Yards». Ab dem kommenden Jahr sollen Besucher von dort aus 335 Metern Höhe auf Manhattan hinunterschauen.
Darüber hinaus sollen Besucher ein paar Meter weiter oben mit Sicherheitsgurten auf der Spitze des Wolkenkratzers herumklettern können. «The Edge» werde nach der Eröffnung die höchstgelegene öffentlich zugängliche Outdoor-Aussichtsterrasse der westlichen Welt sein, sagen die Bauherren. Schon jetzt gehört die spitze Plattform zu den spektakulärsten architektonischen Details der Hudson Yards – einem komplett neuen Stadtviertel New Yorks, das am Freitag (15. März) offiziell eröffnet.
Gewaltige Dimensionen
Das Viertel liegt am Hudson River, an der Westseite Manhattans, etwa auf Höhe des Empire State Buildings nahe der zum Park verwandelten Hochbahntrasse High Line. Die Dimensionen sind gewaltig. Nach Angaben der zuständigen Baufirma handelt es sich um das größte und teuerste nicht-öffentliche Bauprojekt in der Geschichte der USA: Rund ein Dutzend neuer Luxus-Wolkenkratzer von Star-Architekten – teils schon fertig, teils im Bau, teils geplant – mit teuren Wohnungen und Büros, wo Unternehmen wie die Investmentfirma BlackRock oder der deutsche Software-Gigant SAP bereits Mietverträge unterzeichnet haben.
Dazu ein Luxushotel, eine Schule, Restaurants und ein riesiges Einkaufszentrum. Besucher können staunen und fotografieren, Bewohner müssen sich für alle Bedürfnisse des alltäglichen Lebens kaum wegbewegen. Das komplett neues Kunst- und Kulturzentrum «The Shed» eröffnet im April. Mitten im Gebäudekomplex liegen ein Park und das begehbare Kunstwerk «The Vessel», das aus 154 verschiedenen Treppen mit fast 2500 Stufen besteht, auf denen Besucher sitzen oder herumklettern können. «Dies wird einer der großartigsten öffentlichen Plätze in New York werden», sagt Bürgermeister Bill de Blasio. «Ein Ort, an dem man gewesen sein muss, und den man bestiegen haben muss, eine ikonische Sehenswürdigkeit.»
Idee entstand nach dem 11. September
Platz ist auf der Insel Manhattan eigentlich ein rares und teures Gut. Die Hudson Yards aber wurden möglich, weil die vom Bahnhof Penn Station abgehenden Gleise überdacht wurden. Die Idee dazu kam nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf, als Bürgermeister Mike Bloomberg das geschockte Manhattan wirtschaftlich wiederbeleben wollte. Für eine Milliarde Dollar bekam die Immobilienfirma Related Companies damals den Zuschlag – und rund 20 Jahre später hat deren Chef Stephen Ross seine Vision verwirklicht. Demnächst will er in eine Luxuswohnung in einem der Wolkenkratzer seines neuen Stadtviertels ziehen.
«Steve ist ein niemals aufgebender Optimist», sagte der frühere stellvertretende Bürgermeister Dan Doctoroff, der an den Verhandlungen beteiligt war, dem «
New York Magazine» über Ross. «Er hat sich einfach ein neues Haus für sich selbst gebaut. Er ist 78 Jahre alt. Und er wird es genießen, bis er es nicht mehr kann.» Das Viertel Hudson Yards sei genau nach dem Geschmack der New Yorker, sagt Bauherr Ross. «Wenn man in New York lebt, will man doch alles jederzeit direkt vor der Nase haben.» Seine Firma bewirbt Hudson Yards als «Stadt in der Stadt» und «das nächste angesagte Stadtviertel New Yorks».
Eine neue U-Bahn-Station
Die Stadt New York hat viel dafür getan, dass die
Hudson Yards Wirklichkeit werden – unter anderem wurde eine komplett neue U-Bahn-Station gebaut. Dem Bauherren wurden einem Bericht der «New York Times» zufolge Steuernachlässe in Höhe von sechs Milliarden Dollar zugestanden.
Viele New Yorker aber sind nicht begeistert – zu steril, zu wenig authentisch und vor allem zu teuer sei das neue Stadtviertel, und das in einer Zeit, wo New York dringend bezahlbaren Wohnraum brauche, kritisieren viele. Hudson Yards sei «die Fantasiestadt eines Milliardärs», ätzte das «New York Magazine». «Wir haben das Gefühl, wir sind hier gar nicht mehr in New York.»
Fotocredits: Mark Lennihan,Mark Lennihan,Mark Lennihan
(dpa)