Trotz 1:7 und Gold-Chance: Kicker sollen Finale genießen

São Paulo – Natürlich ist es ein Spiel mit ganz viel Emotionen. Und natürlich spielen die Erinnerungen mit. Ganz Brasilien hat das demütigende 1:7 gegen den späteren Weltmeister aus Alemanha vor zwei Jahren noch gespeichert.

Jetzt also wieder Deutschland gegen die Gastgeber – und das im Fußball-Tempel Maracanã. «Wir haben kein Problem damit. Wir spielen dieses Turnier und da treffen komplett andere Mannschaften aufeinander», meinte Horst Hrubesch vor seinem letzten Spiel als Auswahltrainer: «Wir können nur noch etwas gewinnen. Wir haben jetzt schon alles gewonnen.»

Seine Spieler rechnen am Samstag (22.30 Uhr/ARD) in Rio aber schon mit einer besonderen Atmosphäre. «Klar, die haben Druck. Ich glaube, dass das Land eine kleine Revanche für das 1:7 erwartet», sagte der Leipziger Angreifer Davie Selke, der mit der abgespeckten Version einer deutschen Nationalmannschaft den ersten Olympiasieg für den DFB überhaupt holen will: «Das wird das Spiel unseres Lebens.»

Sportdirektor Hansi Flick, beim historischen WM-Halbfinalsieg 2014 in Belo Horizonte noch Assistent von Bundestrainer Joachim Löw, möchte beide Turniere nicht vergleichen: «Wir schreiben bei Olympia eine neue, ebenfalls erfolgreiche Geschichte.»

Ohne große Stars und mit vielen Kompromissen zusammengestellt, ist dem Hrubesch-Team in Rio de Janeiro nun sogar der ganz große Coup zuzutrauen. «Vor drei Jahren habe ich davon geträumt, dass ich hier sitze», verriet der Trainer. Der Auftrag an seine Olympia-Kicker ist klar: Den Samba-Brasilianern um Superstar Neymar schnell die Lust nehmen und selbst an die bisher starken Turnier-Auftritte anknüpfen. «Das wollen wir tun», erklärte Freiburgs Stürmer Nils Petersen.

«Es wird laut werden. Wir stellen uns darauf ein. Das wird gigantisch», bemerkte Lars Bender, der mit Bruder Sven und Petersen die Älteren-Fraktion im Nachwuchsteam des Deutschen Fußball-Bundes bildet. «Sie haben Neymar, der hat einen Marktwert wie unsere ganze Truppe zusammen. Der Druck lastet jedenfalls nicht auf uns», sagte der Schalker Max Meyer. Und Leverkusens Julian Brandt ergänzte: «Ich finde, dass es ein sehr geiles, anspornendes Gefühl ist, wenn man von 80 000 ausgepfiffen wird.»

Beim ersten Olympia-Auftritt seit 1988 in Seoul – damals holten Jürgen Klinsmann und Co. die Bronzemedaille – haben die deutschen Fußballer schon ein Novum erreicht. Nie zuvor hat eine DFB-Auswahl ein Olympia-Endspiel bestritten. Die DDR hatte 1976 in Montreal unter anderen mit «Dixie» Dörner, Jürgen Croy und Lothar Kurbjuweit Gold geholt, vier Jahre später bei den Boykott-Spielen in Moskau Silber.

Hrubesch will auch gegen die Gastgeber an der taktischen Ausrichtung seines Teams nichts ändern. «Wir werden offensiv spielen», kündigte der 65-Jährige an. «Wir werden das spielen, was wir im Turnier gezeigt haben. Wir können uns nicht hinten rein stellen.» Und seine Spieler sollen trotz der erwarteten Millionen Fans in aller Welt vor den TV-Bildschirmen die Partie einfach genießen.

«Es muss einfach Spaß machen, aus dem Auswärtsspiel ein Heimspiel zu machen», sagte Hrubesch. «Gegen Brasilien im Maracanã zu spielen, diese Möglichkeit bietet sich jedem Fußballer nur einmal in der Karriere. Dann muss man es annehmen», unterstrich Kölns Torwart Timo Horn. Oder wie es Hrubesch ausdrückte: «In 40 Jahren erzählst Du es deinen Enkelkindern.» Der Ex-Nationalspieler sieht im Finale von Rio keinen Abschied, auch wenn es nach langen Jahren sein letztes Match als Nachwuchscoach ist: «Ich werde sicher irgendwas weiter machen. Ich werde nicht nach Hause gehen und mich auf die Couch setzen.»

Die voraussichtliche deutsche Startelf:

Horn – Toljan, Ginter, Süle, Klostermann – Sven Bender – Brandt, Lars Bender, Meyer, Gnabry – Selke

Fotocredits: Alan Morici
(dpa)

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