Springen, fliegen, springen: Das Programm der Ski-Adler
Pyeongchang – Ziemlich genau 63 Stunden waren seit dem letzten Weltcup vergangen, als Richard Freitag und seine Kollegen am Mittwoch 10 000 Kilometer weiter wieder von der Schanze sprangen.
Zwischen dem Wettkampf im sauerländischen Willingen am Sonntag und dem ersten Training vor der Qualifikation für das olympische Skisprung-Einzel in Pyeongchang am Donnerstag (13.30 Uhr) lagen eine Zeitumstellung von acht Stunden, ein Flug von Frankfurt nach Seoul und der Wechsel der Schlafgewohnheit. «Wir haben das Privileg, dass wir so viele Wettkämpfe machen dürfen», sagte Andreas Wellinger.
Während die Biathleten drei Wochen vor Olympia den letzten Wettkampf absolvierten, Bobfahrer und Rodler ihre reguläre Saison schon Ende Januar beendeten, sind die Skispringer von Mitte November bis Ende März durchgehend auf Achse. Vierschanzentournee, Skiflug-WM, Olympia, RAW-Air-Tour, weitere neu gestaltete Wettbewerbe: Der Adler-Kalender kennt keine Pause und lässt Freitag und Co. auch an den Wochenenden unmittelbar vor und nach den Pyeongchang-Spielen auf die Schanze. «Viele Sportarten beneiden uns, weil wir so viele tolle Arenen und so viele Wettkämpfe haben», betonte Bundestrainer Werner Schuster.
Der Coach gibt sich trotz des Marathon-Programms mit kurzfristigem Wechsel von Europa nach Asien gelassen. «Wenn man nach Osten fährt, muss man eh etwas früher aufstehen», sagte der Österreicher kurz vor dem Abflug mit seiner Gelassenheit.
Den Wechsel leiteten die DSV-Adler bereits in Deutschland ein: Der letzte Wettkampf im Upland fand am Sonntag um 10.20 Uhr statt, für Montag setzte Schuster morgens ein Training an, noch bevor es in den Flieger ging. In Südkorea bleibt nicht viel Zeit: Auf die Quali am Donnerstag folgt am Samstag bereits das Einzel auf der Kleinschanze, bei der Freitag und Wellinger um olympisches Edelmetall springen wollen.
Den Springern sind solche Rhythmuswechsel nicht neu. Zum Alltag im Weltcup gehören auch Reisen nach Japan aus dem vollen Training, doch diesmal geht es um den Saisonhöhepunkt. «Gedanken um das Schlafen macht man sich schon, aber im Endeffekt ist der Biorhythmus dann doch ein Sauhund», sagte der 22 Jahre alte Wellinger, der 2014 in Sotschi bereits Gold mit dem Team holte. Aus Erfahrung erklärte der Bayer: «Meistens dauert es ein paar Tage, bis man richtig ankommt, aber das hält uns nicht davon ab, ordentlich zu springen.»
Der Vorteil der Adler bei dem Zeitenwechsel ist: Weil die Springen in Pyeongchang erst spätabends ausgetragen werden, müssen die Athleten tatsächlich nur vier statt acht Stunden umstellen. «Die Top-Nationen waren alle in Willingen, wir haben alle das gleiche Problem. Bis Samstag werden das die Top-Springer lösen und hinkriegen», meinte Bundestrainer Schuster. «Das packen die schon, man darf es auch nicht komplizierter machen, als es ist», fügte der Coach an.
Sein Top-Schützling Freitag, Bronze-Gewinner bei der Skiflug-WM und Mitfavorit in Pyeongchang, macht sich da schon etwas mehr Sorgen. «Rein aus Erfahrung ist das nicht möglich, so schnell umzustellen. Du hast entweder Glück und kommst gut zum Schlafen rein oder nicht», sagte der 26-jährige Sachse. «Japan oder Asien sind bei mir immer grausam, von dem her drückt mir die Daumen», sagte Freitag.
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(dpa)