Sicherheit in der Luftfahrt auf Rekordkurs
Hannover – Die Zahlen zur Sicherheit der Luftfahrt wirken zur Haupturlaubszeit wie ein Tropfen Balsam für jeden Passagier mit Flugangst. Keinen einzigen Toten gab es im ersten Halbjahr 2017 an Bord kommerzieller Linienflüge zu beklagen.
Zwar zählten Unfallforscher des sogenannten
JACDEC-Büros («Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre») in Hamburg weltweit 16 Todesfälle bei Flügen – aber es handelte sich etwa um Fracht- oder Demonstrationsflüge.
«Sensationell», jubelt daher JACDEC-Gründer Jan-Arwed Richter, der bei der Vorlage seiner Halbjahresstatistik der weltweiten Flugunfälle von einer neuen Bestmarke spricht. Die Vergleichzahl des Vorjahres lag bei 175 Toten.
Unfälle wie der Absturz einer Militärmaschine in den USA mit 16 Toten am Montagnachmittag (Ortszeit, 10. Juli) fließen allerdings nicht in diese Statistik ein. Sie erfasst nur zivile Flugzeuge mit mehr als 5,7 Tonnen Gewicht oder mehr als 19 Sitzen Transportkapazität.
Dabei ist der Boom in der zivilen Weltluftfahrt ungebrochen. Auf 31,4 Milliarden Dollar (27,9 Milliarden Euro) schätzt der internationale Airlineverband IATA seinen Gewinn in diesem Jahr. Damit einher geht ein spürbares Wachstum bei der Zahl der Passagieren, die im Vorjahr bei 3,7 Milliarden lag. Airlines rund um den Globus spüren trotz diverser Unwägbarkeiten weiter Aufwind.
Die deutschen Fluggesellschaften investieren nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) in den nächsten Jahren in 214 verbrauchsärmere Flugzeuge. Listenpreis: 37 Milliarden Euro. Doch ist damit schon das Maximum an Flugsicherheit erreicht in der kommerziellen Luftfahrt?
«Die Statistik zeigt in der Tat, was wir schon seit langem wissen: dass das Fliegen sicher ist», sagt Markus Wahl von der Pilotenvereinigung Cockpit. Der Flugzeugführer spricht aber von einer Momentaufnahme, die nicht das Gesamtbild abbildet. «In der Statistik werden ja nur die Unfälle aufgelistet, das spiegelt einfach nicht das Sicherheitslevel der gesamten Industrie wider», sagt er.
Dazu zählt er etwa den von Airline zu Airline sehr unterschiedlichen Umgang mit Fehlern oder Irrtümern. «Es gibt Airlines, die ihre Piloten da gehörig unter Druck setzen, um nicht über Fehler zu reden – das ist für die Sicherheitskultur nicht gerade förderlich», sagt der Pilot. Auch der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg warnt davor, sich angesichts der Zahlen auszuruhen. «Das Motto der Luftfahrt ist immer, sich zu verbessern – und es gibt ja stets irgendwelche Vorfälle, die zwar nicht zu Katastrophen führen, aus denen man aber lernen kann.» Für die Flugzeughersteller wie die Fluggesellschaften bleibe das eine permanente Herausforderung.
Andere warnen vor Risikofeldern wie den immer zahlreicher werdenden Drohnen. Die Deutsche Flugsicherung etwa schätzt, dass dieses Jahr 600 000 neue unbemannte Fluggeräte den Himmel über Deutschland bevölkern werden. Pilot Wahl sagt: «Statistisch ist es nur eine Frage der Zeit, wann es da zur ersten Kollision mit einem Verkehrsflugzeug kommt.» Bei der neuen Drohnen-Verordnung müsse sich erst einmal zeigen, wie sie umgesetzt wird. Es hapere auch bei der Cyber-Sicherheit im Cockpit – trotz beschwichtigender Beteuerungen seitens der Industrie.
«Einen Schutz vor Manipulationen gibt es kaum – vor allem bei älteren Flugzeugen wurde da ja noch gar nicht dran gedacht», sagt Wahl. Die elektronische Sicherheit im Cockpit sei bestenfalls rudimentär. Daher seien auch Spekulationen über die Zukunft des vollautomatischen, autonomen Fliegens ohne Cockpit-Besatzung aktuell kaum realistisch – selbst wenn es technisch als machbar gilt, Jets ohne Besatzung auf den Weg von A nach B zu schicken. Bemannte Flugdrohnen-Taxen, wie sie in Dubai demnächst ihren Betrieb aufnehmen sollen, würde der Käpt’n trotz aller Faszination für die Technik daher schmähen: «Bei einem Funkabriss gäbe es keine Möglichkeit, so ein Gerät noch zu steuern.»
Fotocredits: Frank Rumpenhorst
(dpa)