Sehr touristisch: Ein Ausflug zur Rüdesheimer Drosselgasse

Rüdesheim – Die Wirte in der Rüdesheimer
Drosselgasse setzen auf ur-deutsche Gemütlichkeit. In dem nur zwei Meter schmalen Sträßchen haben sie eine Art Konzentrat davon geschaffen: Wirtshäuser bieten Sauerbraten und Schunkelmusik, Kioske Kuckucksuhren, Nussknacker und verzierte Zinnkrüge.

Scharen von Touristen schlendern über Kopfsteinpflaster vom Rhein kommend aufwärts, betrachten Speisekarten, filmen die reich verzierten Fassaden mit ihren Smartphones, schießen Selfies.

«Ich bin hier wegen Wein und Geschichte», sagt Lan Tian. Der 21-Jährige aus China studiert in Stuttgart Maschinenbau. Momentan ist er zu Gast bei einem Freund, der im Rheingau die European Business School (EBS) besucht. Die beiden haben vor einem Weinladen angehalten, sie interessieren sich für Eiswein. Das solle eine Delikatesse sein, haben sie gehört. Doch sie sind nicht sicher, ob der angepriesene Jahrgang ein guter und der verlangte Preis gerechtfertigt ist.

Die Geschichte, die außer dem Wein in der 144 Meter langen Gasse zu finden ist, beginnt im Jahr 1727, als hier noch Rheinschiffer zuhause waren. Damals eröffnete das erste Weinhaus, der «Drosselhof», der noch immer in Betrieb ist. Heute wirbt er mit preisgünstigem Schnitzel inklusive Pommes und Schlagermusik.

Begonnen hat der Tourismus in Rüdesheim in der Zeit der Romantik, das heute als Weltkulturerbe anerkannte Obere Mittelrheintal mit seinen Stromschnellen und schroffen Felsen kam in Mode, wie Peter Ohlig berichtet, Chef der Werbegemeinschaft Drosselgasse. Die Eröffnung des Niederwalddenkmals über Rüdesheim 1883 als Andenken an die Reichsgründung habe dem Geschäft dann noch einen mächtigen Schub gegeben, vor allem Deutsche pilgerten herbei. Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckten zunächst die Bundesbürger das Reisen wieder für sich, später kamen ausländische Gäste hinzu.

Auf etwa eine Million Tagesgäste pro Jahr schätzt die Rüdesheimer Tourismusinfo den Durchlauf heute. Tourismuszentralen-Chef Rolf Wölfert rechnet auch wegen des Booms bei den Flusskreuzfahrten mit einer steigenden Tendenz. Auch die Zahl der Übernachtungen wuchs zuletzt leicht, das
Statistische Landesamt berichtet von rund 380 000 in Rüdesheim 2015, 1,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Unter anderem mit chinesisch-japanischen Broschüren setzt die Stadt auf einen Zuwachs an asiatischen Gästen. «China liegt momentan auf Platz 11, wir erwarten das Land bald unter den Top Ten», sagt Wölfert. Von Frankfurt aus reisten viele der Touristen für eine Station in den Rheingau. «Die wollen ein Stück typisches Deutschland sehen, und wir bieten ihnen das.» Auch kämen viele Engländer, US-Amerikaner, Skandinavier und Belgier.

Auch an diesem Nachmittag sind belgische Touristen zu Besuch: Jef Lenaerts sagt, die Drosselgasse sei Teil einer Deutschlandreise, die er zusammen mit seiner Frau unternehme. «Ich mag lieber die Natur, aber hier wollen wir Wein trinken», erklärt er. Annemie Boelmans berichtet, sie befinde sich auf einer Rundtour mit Eifel, Mosel, Schwarzwald und Rüdesheim als Stationen – und schlendert eisschleckend davon.

Fotocredits: Boris Roessler,Boris Roessler,Boris Roessler,Boris Roessler
(dpa)

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