Schwerathleten und Staubsauger-Vertreter: Die Olympia-Exoten
Pyeongchang – Tonga und Ecuador, Eritrea und Nigeria – bei den Winterspielen in Pyeongchang sind wieder einige Exoten am Start. Eine Geschichte von olympischen Träumen.
Die eingeölte Heldenbrust von Rio wird Pita Taufatofua in Pyeongchang gut verpacken. «Ich will ja bei meinem Rennen noch am Leben sein», scherzte der 34 Jahre alte Schwerathlet aus Tonga, der sich vor zwei Jahren bei Sommer-Olympia noch im Taekwondo versuchte und nun bei den Winterspielen im Ski-Langlauf startet. Von Rio blieb vor allem Taufatofuas Auftritt mit blankem Oberkörper bei der Eröffnungsfeier im Gedächtnis, auch in Pyeongchang ist der 100-Kilo-Mann wieder einer der vielen liebenswerten Exoten.
Da wäre zum Beispiel auch Klaus Jungbluth Rodriguez, der erste Teilnehmer aus Ecuador bei Winterspielen. Gewichtheber war der 38-Jährige, bis ihn eine Knieverletzung stoppte und er als Student in Norwegen Ski-Langlauf für sich entdeckte. Nachdem Jungbluth Rodriguez das Nationale Olympische Komitee Ecuadors von der Gründung eines Wintersportverbands überzeugt hatte, musste er nur noch den Umstieg von Rollerski auf echten Schnee bewältigen. «Das war ziemlich hart. Auf Schnee ist vieles anders», sagt Jungbluth Rodriguez.
Nach geschaffter Qualifikation wird er nun am Freitag bei der Eröffnung der Spiele ebenso die Fahne seines Landes tragen wie der 18 Jahre alte Albin Tahiri, der als erster Athlet des Kosovo bei Winterspielen dabei ist. Der Skirennfahrer ist eigentlich Slowene, sein Vater aber stammt aus dem Kosovo. «Als Kosovo seine Unabhängigkeit erklärte, wollte ich helfen, indem ich das Land als Athlet vertrete», sagt Tahiri.
Premiere bei Winterspielen feiern diesmal auch Malaysia, Singapur, Nigeria und Eritrea. Shannon-Ogbnai Abeda, ein 21 Jahre alter Skirennfahrer, wird erstmals auf der größten Bühne seines Sports für Eritrea starten und ist immer noch überwältigt von den Reaktionen aus seinem Bekanntenkreis. «Sie schauen zu mir auf, ich hätte mir nie vorstellen können, in so einer Position zu sein», sagt Abeda, der in Kanada als Sohn von Flüchtlingen aus Eritrea aufwuchs.
Ein Traum geht auch für Akwasi Frimpong in Erfüllung. Als Sprinter verpasste er die Sommerspiele in London 2012, im Bobteam seiner Wahlheimat Niederlande war er 2014 in Sotschi nur Reservist. Nun geht der 31-Jährige als Skeleton-Pilot für sein Geburtsland Ghana in Pyeongchang an den Start. «Das zeigt den Menschen, dass es okay ist, sich das Träumen zu trauen», sagt Frimpong.
Als illegaler Einwanderer lebte er 13 Jahre in den Niederlanden, ehe er einen holländischen Pass bekam. Seine Olympia-Teilnahme finanzierte Frimpong zuletzt als Staubsauger-Vertreter. Nun will der Weltranglisten-99. als erster Afrikaner eine Medaille bei Winterspielen gewinnen. «Es ist mein Weg, Grenzen zu durchbrechen und zu zeigen, dass Afrikaner und Schwarze diesen Sport auch beherrschen», sagt Frimpong.
Am olympischen Eiskanal könnte der Ghanaer in den kommenden Tagen auch zwei ziemlich exotischen Bob-Teams über den Weg laufen. Nigerias Frauen-Duo brachte über eine Crowdfunding-Kampagne 75 000 Dollar zusammen, inzwischen ist das Team um die frühere Hürdensprinterin Seun Adigun ein echter Hit bei Fans und Sponsoren. Erst recht an die «Cool Runnings» erinnern Jazmine Fenlator-Victorian und Carrie Russell, die 30 Jahre nach Jamaikas legendärem Männer-Bob die Farben der Karibik-Insel wieder zurück in die Olympia-Eisrinne bringen – auch mithilfe der deutschen Trainerin Sandra Kiriasis.
Bereits Erfahrung mit der olympischen Exotenrolle hat Yohan Goutt Goncalves, der schon 2014 als Ski-Rennfahrer Osttimor zum Debüt bei Winterspielen verhalf. «Diesen Traum hatte ich, seit ich acht war. Ich wollte zu Olympia, und ich wusste, es sollte für Osttimor sein, weil es wichtig ist zu zeigen, dass es dieses Land gibt», sagt der 23-Jährige.
Die Liebe zur Heimat seiner Mutter, die einst vor dem Krieg aus Osttimor geflüchtet war, geht über den Sport hinaus. Nach der Alpin-WM 2015 nahm sich Goutt Goncalves eine Auszeit von 18 Monaten, um in humanitären Projekten in Osttimor mitzuhelfen. Jetzt ist er wieder da – und Pyeongchang um eine außergewöhnliche Geschichte reicher.
Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)