Schweinsteigers WM-Schweiß: Zwölf Jahre «absoluter Wille»
Berlin (dpa) – Der Kapitän macht Schluss – das Bild vom schweiß- und blutverschmierten WM-Helden aus dem berühmten Maracanã von Rio de Janeiro aber bleibt.
Mit einem tiefen Cut unter dem rechten Auge kämpfte Bastian Schweinsteiger nach dem größten Triumph als Fußballer zusammen mit Joachim Löw in Brasilien mit den Tränen. Beim Anlauf auf die Titelverteidigung in zwei Jahren in Russland wird der Bundestrainer seinen «emotionalen Leader» nicht mehr dabei haben. Weltmeister Schweinsteiger hat nach zwölf Jahren, 120 Länderspielen und 24 Toren das Kapitel Nationalmannschaft selbst geschlossen.
«Mit dem Gewinn des Weltmeistertitels 2014 ist uns historisch und auch emotional etwas gelungen, was sich in meiner Karriere nicht mehr wiederholen lässt. Deshalb ist es richtig und vernünftig, nun Schluss zu machen und der Mannschaft für die Qualifikation und die WM 2018 das Allerbeste zu wünschen», erklärte Schweinsteiger am Freitag. «Mit dem Rücktritt verlasse ich die Nationalmannschaft, die mir immer eine wertvolle Familie war.» Sein Handspiel gegen Frankreich beendete den Traum vom Europameister. «Aber Niederlagen gehören dazu, auch wenn sie schmerzen», bemerkte der scheidende Kapitän.
Unmittelbar nach dem EM-Aus vor 22 Tagen in Frankreich, das auch eng mit dem Namen Schweinsteiger verbunden ist, hatte der Routinier noch gezögert. «Jogi Löw wusste, wie viel mir die EM 2016 in Frankreich bedeutet hat, denn ich wollte diesen Titel unbedingt gewinnen, den wir seit 1996 nicht mehr nach Deutschland holen konnten. Es sollte nicht sein und ich muss es akzeptieren», erklärte der gebürtige Bayer. «Ich als Trainer habe viel von ihm profitiert und kann mich einfach nur für alles bei ihm bedanken», sagte Löw 22 Tage nach dem Halbfinal-Aus bei der jüngsten EM gegen Frankreich.
Schweinsteiger war im Adler-Trikot immer ein Anführer mit hohen Ansprüchen auch an sich selbst. Löw hatte ihn nach dem WM-Sieg und dem Nationalmannschafts-Rücktritt von Philipp Lahm zum Kapitän ernannt. «Wir konnten uns zu jeder Zeit über sportliche und menschliche Themen austauschen und durch sein Verhalten hat er auch die Mannschaft geprägt», betonte der Bundestrainer. Schweinsteiger ist nach Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker der vierte Weltmeister, der seine DFB-Laufbahn beendet hat.
«Nach der enttäuschenden EM 2004 hat er als Fußballer den Aufbruch des deutschen Fußball entscheidend mitgestaltet», betonte Teammanager Oliver Bierhoff. Schweinsteigers Erfolge im DFB-Team sprechen für sich: WM-Dritter 2006 und 2010, EM-Zweiter 2008 – und dann der Triumph von Rio, bei dem er «all seine Qualitäten und Tugenden gezeigt hat: Hohe spielerische Klasse und absoluten Einsatzwillen», sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Bierhoff hob «Mannschaftsgeist, Härte gegen sich selbst und einen absoluten Siegeswillen» als Schweinsteigers herausragende Eigenschaften hervor.
Schweinsteiger stieß nach drei Verletzungen in der EM-Saison am rechten Knie allerdings an seine Grenzen. Schon in den Jahren zuvor hatte sich der Mittelfeldspieler immer wieder mit Blessuren an seinem hoch beanspruchten Körper herumgeplagt. Mit enormen Willen arbeitetet sich der Kapitän nochmals heran, das unglückliche Ende bei der EM aber konnte er nicht verhindern. «Ich habe die ganze Energie in das Turnier gelegt. Nach den zwei Verletzungen war das nicht so einfach», erklärte der Routinier in Marseille. Es sollte sein letzter offizieller Auftritt als Nationalspieler sein.
«Mein Dank gilt den Fans, der Mannschaft, dem DFB, den Trainern und Team um die deutsche Nationalmannschaft. In 120 Länderspielen durfte ich für mein Land auflaufen und Momente erleben, die unbeschreiblich schön und erfolgreich waren», schrieb Schweinsteiger jetzt. Mitspieler Thomas Müller bedankte sich für «viele großartige, gemeinsame Stunden bei der Nationalmannschaft». Lukas Podolski übermittelte: «Das DFB Trikot zu tragen, ist die größte Ehre. Und gemeinsam haben wir es bei vier Europameisterschaften und drei Weltmeisterschaften getragen. Ich habe dabei jeden Moment auf und neben dem Platz mit dir genossen.»
Mit 38 Einsätzen bei Welt- und Europameisterschaften ist Schweinsteiger Rekordmann. Für seinen ehemaligen Bayern-Trainer Jupp Heynckes ist der Rücktritt «eine kluge und richtige Entscheidung». Schweinsteiger habe in seiner Laufbahn alles erreicht, was man sich als junger Spieler erträumt. «Mit dem Triple und dem WM Sieg hat er sich in die Herzen der Fans gespielt, er gehört zu den besten und größten Fußballern aller Zeiten.»
Am Montag wird Schweinsteiger 32 Jahre alt. Privat hat der Star bereits einen neuen Lebensabschnitt eingeläutet. Vor zwei Wochen heiratete er in Venedig die serbische Tennisspielerin Ana Ivanović. Nun biegt der langjährige Spieler des FC Bayern beruflich auf die Zielgerade. Seine Zukunft bei Manchester United scheint offen. Laut englischen Medienberichten soll der neue Trainer José Mourinho mit ihm nicht mehr planen. Nach 17 Jahren beim deutschen Rekordmeister in München war Schweinsteiger vor einem Jahr auf die Insel gewechselt.
«Für die Zukunft wünsche ich ihm viel Glück», übermittelte Löw. Bei der Neubesetzung des Kapitäns-Postens kann er auf Bewährtes zurückreifen. Welttorhüter Manuel Neuer, aber auch schon Jérôme Boateng und Sami Khedira haben die Binde getragen, als Schweinsteiger gefehlt hatte. «Wir haben enormes Potenzial an Führungsspielern», unterstrich Sportdirektor Flick.
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(dpa)