Schlafmangel und Tränen: Diskuswerferinnen enttäuschen
Rio de Janeiro – Tränen bei Julia Fischer, Vorwürfe von Nadine Müller: Drei Tage nach dem Olympiasieg von Christoph Harting und dem Bronze-Coup von Daniel Jasinski sind die deutschen Diskuswerferinnen mit langen Gesichtern aus dem Ring gegangen.
Mitfavoritin Fischer kam nicht einmal in den Endkampf und enttäuschte als Neunte. «Ich war nicht spritzig genug, ich hab nur viereinhalb Stunden geschlafen», meinte die Freundin von Robert Harting danach – und verlor weinend die Fassung. Die frühere Vize-Weltmeisterin Müller kam nur auf Rang sechs und übte deutliche Kritik an den Organisatoren wegen des Zeitplans.
Gold eroberte in Rio de Janeiro wie schon vor vier Jahren in London die Kroatin Sandra Perkovic. «Die letzten Tage waren schwer für mich. Wenn es den Menschen, die ich liebe, schlecht geht, dann ist dass so, als wenn es mir selber schlecht geht», sagte Fischer in der ARD und meinte damit das unglückliche Olympia-Aus ihres Lebensgefährten Robert Harting in der Qualifikation. «Ich habe alles gegeben, mehr konnte ich nicht machen.»
Auch ein Plakat mit der Aufschrift «Hoch und weit, jetzt ist Fischer-Harting-Zeit» konnte sie nicht aufmuntern. Nix war es also mit der dritten Medaille für die deutschen Diskus-Asse und das 89-köpfige Leichtathletik-Team. Vize-Europameisterin Fischer (Berlin), die zusammen mit Robert und Christoph Harting bei Torsten Lönnefors trainiert, blieb mit 62,67 Metern deutlich unter ihren Möglichkeiten – trotz der Anwesenheit Robert Hartings, der nun sie trösten musste. «Er war den ganzen Tag da, er hat mich super unterstützt.»
Müller hatte nach ihren 63,13 Metern zum Auftakt nur noch fünf ungültige Versuche. Shanice Craft aus Mannheim wurde Elfte. «Ich habe gemerkt, dass die Regeneration seit gestern nicht gereicht hat. Ich war erst um eins, halb zwei im Bett», sagte Müller.
Erst am Abend vorher hatte die Qualifikation stattgefunden. «Da muss man schon die Organisatoren fragen, ob das Sinn macht. Im Sinne der Athleten ist dies jedenfalls nicht.» Bei der Hallenserin hatte um 6.10 Uhr der Wecker geklingelt: «Eigentlich hätte ich auch hier pennen können, das wäre besser gewesen.»
Perkovic brauchte auch etwas, um wach zu werden: Die vierfache Europameisterin hatte wie schon bei der Ausscheidung zwei ungültige Versuche, ließ sich davon aber nicht irritieren und schleuderte den Diskus auf 69,21 Meter hinaus. Silber gewann die Französin Melina Robert-Michon mit dem Landesrekord von 66,73, Bronze die Kubanerin Dania Caballero mit 65,34. Die beiden bisher einzigen Olympiasiege für Deutschland bei den Frauen hatten Gisela Mauermayer 1936 und Ilke Wyludda 1996 geholt. Seitdem gab es keine Medaille mehr.
Das Leichtathletik-Paar Robert Harting/Julia Fischer reist nun doppelt enttäuscht von Rio nach Hause. «Also eine Medaille klappt auf jeden Fall – das muss man ganz klar so sagen», hatte Robert Harting über seine dreiköpfige Trainingsgruppe gesagt. Dass sich sein Bruder zum Olympiasieger kürt und er und seine «Jule» ohne Edelmetall nach Hause fliegen, das hatte er wahrscheinlich nicht gedacht.
Die 26 Jahre alte Fischer war in diesem Jahr in der Form ihres Lebens, verbesserte sich auf 68,49 Meter und gewann bei der EM mit Silber ihre erste internationale Medaille.
Fotocredits: Franck Robichon
(dpa)