Russlands Volleyball-Opa Tetjuchin und die Skepsis in Rio
Rio de Janeiro – Von der Dopingdebatte bei seinen Landsleuten hat Russlands Fahnenträger Sergej Tetjuchin genug.
«Wir wurden von internationalen Organisationen geprüft. Uns wurde noch nicht gesagt, wie viele Dopingtests wir machen sollen. Wenn es nötig sein wird, können wir das jeden Tag während Olympia machen», hatte Volleyballer Tetjuchin versichert. Eine Diskussion über angebliches Staatsdoping hat der Außenangreifer des Titelverteidigers auch noch nicht erlebt.
Und das soll etwas heißen. Tetjuchin ist 40 Jahre alt, Rio de Janeiro sind seine sechsten Olympischen Spiele. Unter den Volleyballern ist der Vater der Kinder Iwan, Pawel und Alexander nun Rekordteilnehmer. Nur Landsfrau Jewgenia Artamonova kann da mit sechs Teilnahmen an Sommerspielen mithalten.
«In meiner Kindheit schienen mir Olympische Spiele etwas Unwirkliches zu sein. Ein Märchen, das sich in einer anderen Welt abspielt», erzählte der Profi des russischen Spitzenvereins Belogorie Belgorod. «Es schien unmöglich, ein Teil davon zu werden. Aber ich hatte Glück, und ich fahre zum sechsten Mal zu den Olympischen Spielen – wovon ich gar nicht träumen konnte.» Und die Russen machen ihre Sache bisher überzeugend. Mit vier Siegen aus fünf Partien zogen sie souverän ins Viertelfinale der Sommerspiele ein.
Die Teilnahme von Kapitän Tetjuchin und seiner russischen Mannschaft stand lange infrage. Erst wurde bei Dynamo Moskaus Außenangreifer Alexander Markin während des Qualifikationsturniers im Januar in Berlin Meldonium nachgewiesen, dann drohte ein Komplettausschluss infolge des Reports über staatlich gelenktes Doping durch die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Der Weltverband FIVB entschied sich jedoch gegen eine Kollektivstrafe für Russland und raubte damit den Deutschen die letzte Chance auf ein mögliches Nachrücken.
Dass seine Landsleute skeptisch betrachtet werden, interessiert Tetjuchin überhaupt nicht. «Uns ist egal, ob sich die Ausländer auf uns freuen oder nicht. Wir fahren dorthin, um unsere Arbeit zu machen und unsere Ziele zu erreichen», erklärte der gebürtige Usbeke, dessen Vater Juri Iwanowitsch sein erster Coach war.
Negative Reaktionen von anderen Volleyballern erwartete er ohnehin nicht. «Alle haben uns unterstützt, niemand war schadenfroh oder hat sich gewünscht, dass unsere Mannschaft nicht kommt.» Der wortkarge Nationaltrainer Wladimir Alekno empfiehlt seinem Team sowieso nur eines: «Wir erledigen unseren Job und quatschen nicht so viel.»
Dass Tetjuchin auch in Rio de Janeiro startet, entsprach eigentlich nicht seinem Plan. Nach Gold in London hatte er seine Karriere im Nationalteam ursprünglich beendet. «Nach 16 Jahren als Spieler hielt mein Körper den ganzen Stress einfach nicht mehr aus. Die Ärzte stellten bei mir Herzrhythmusstörungen fest», erzählte der Hobby-Angler damals. Dennoch ließ sich Tetjuchin nach rund drei Jahren Auszeit noch einmal zu einem Comeback überreden.
An die Zeit nach der Profilaufbahn denkt er längst. In Belgorod, wo der Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf durchgehend wieder seit 2011 spielt, ist Tetjuchin politisch engagiert. Mit sechs Olympischen Spielen und vielleicht sogar der nächsten Medaille kann man sich dann schon mal getrost von der internationalen Bühne verabschieden.
Fotocredits: Lukas Schulze
(dpa)