Ruhender Pol beim HSV – Bruchhagen gefällt der Job
Hamburg – Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV, stellt sich vor Jahresfrist im Rahmen der wöchentlichen Pressekonferenz einem Frage-Antwort-Spiel, das er wie einen Wettbewerb zwischen Journalisten und sich betrachtet.
Das Ritual, das ihm selbst die größte Freude zu bereiten scheint, hat er selber beim HSV eingeführt. Nie kommt er unvorbereitet zum mittäglichen Austausch: Fachzeitschriften, Tagespresse und TV-Beiträge hat er studiert, kein Thema überrascht ihn. So war es auch vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg am Samstag, in dem er «den nächsten Heimsieg» erhofft.
Selten ging es in den vergangenen zwölf Monaten um einfache, positive Entwicklungen beim HSV, ob sportlich, personell oder finanziell. Der 69-Jährige aber scheint die Runden gerade deswegen so zu genießen. Sein Rat, seine Expertise sind gefragt und nicht selten verlässt der schlagfertige Ostwestfale wippenden Schrittes und mit einem verschmitzten Lächeln den Presseraum des Volksparkstadions.
Bruchhagens Hauptaufgabe ist es seit zwölf Monaten, die oftmals erhitzten Gemüter im Umfeld des traditionsreichen Vereins zu beruhigen – das gelingt ihm um Längen besser als seinem geschassten Vorgänger Dietmar Beiersdorfer. Wenn der ehemalige HSV-Verteidiger zögerte, sich Worte zurechtlegte oder einfach nicht lügen wollte, hatte Bruchhagen längst zum Gegenangriff ausgeholt oder den Sachverhalt relativiert.
Und dazu hatte der Fast-schon-Rentner zuletzt reichlich Gelegenheit. Bestes Beispiel sind die regelmäßigen Störfeuer von Investor Klaus-Michael Kühne, die Bruchhagen gebetsmühlenartig relativiert. Als Chef von Eintracht Frankfurt war ihm einst das Hamburger Finanzierungsmodell ein Dorn im Auge, in der Hansestadt weiß er nun um die nötige Hilfe des Gönners.
Inmitten der HSV-Querelen ist er der ruhende Pol – zumindest nach außen. Sein jüngstes Bekenntnis, dass er in nächtlichen Träumen von Flugzeugabstürzen und anderen Katastrophen geplagt werde, lässt vermuten, dass er innerlich selten so ausgeglichen ist, wie es in der Öffentlichkeit den Anschein hat. Und trotzdem lässt ihn die Aufgabe nicht los.
Sein Vertrag endet zum Saisonende, er hat die einseitige Option zur Verlängerung. Und er kämpft um den Ruf der Hanseaten: «Ich bin total enttäuscht von Leuten, die sagen: „Jetzt muss der Dino endlich mal absteigen.“ Warum begegnet man dem Verein, der es geschafft hat, als einziger seit 1963 nie abgestiegen zu sein, nicht mit mehr Respekt? Ich spüre oftmals Häme. Das finde ich nicht fair.»
Trotz aller Abstiegssorgen und der erneuten Querelen im Aufsichtsrat gibt es auch Dinge, die dem fußball-verrückten Bruchhagen gefallen. So die Entwicklung der HSV-Jugend. Mit Freude sieht er Shooting-Star Jann-Fiete Arp in der Bundesliga zu und vertraut für die Zukunft auf Berater Jürgen Milewski, mit dem er in Frankfurt schon die Laufbahn von Alex Meier gestaltete. «Ich habe seine Karriere dort all die Jahre zusammen mit Herrn Milewski begleitet. Alex ist in Frankfurt ein Topstar geworden, obwohl er auch andere Angebote hatte. Er hat sportlich, finanziell und wirtschaftlich alles richtig gemacht.»
Eines aber hat Bruchhagen selbst in Frankfurt falsch gemacht: Er hat seinen Abgang allzu früh bekanntgegeben. Diesen Fehler will er in Hamburg nicht wiederholen. Möglicherweise verlängert er sogar schon in diesem Winter. «Ich sehe meine Aufgabe beim HSV noch lange nicht als erfüllt an», sagte Bruchhagen kürzlich dem Fachmagazin «kicker».
Fotocredits: Marius Becker
(dpa)