Phelps beim Goodbye: Selfie, Fahnenträger, Vaterfreuden

Rio de Janeiro (dpa) – In diesem Moment war der Rekord-Olympiasieger einfach nur Fan. Michael Phelps traf im Olympischen Dorf zufällig auf Novak Djokovic und geriet darüber ins Schwärmen.

«Ich sagte mir, sag‘ ihm einfach mal Hallo. Ein supernetter Kerl, umgänglich, bodenständig. Das war cool. Ich habe viele seiner Matches im TV gesehen», sagte der Schwimm-Superstar über seine kurze Begegnung mit dem Tennis-Superstar.

Seine fünften Olympischen Spiele halten für den Ausnahmesportler Phelps also noch neue Erfahrungen bereit: Ein 18-facher Olympiasieger, selbst das bevorzugte Selfie-Objekt vieler Mitsportler in der Mensa, gab der Weltpresse mit leuchtenden Augen sein erstes Highlight von Rio de Janeiro zum Besten. «Früher war ich immer der Typ mit den Kopfhörern auf und wollte mit keinem reden. Heute bin ich offener. Und ich wollte halt ein Foto mit ihm.»

Phelps vergoss abseits des Scheinwerferlichts gar ein paar Freudentränen über eine weitere Ehre seiner außergewöhnlichen Sportkarriere. Der 31-Jährige wird bei der Eröffnungsfeier das US-Team in das Maracana-Stadion führen. «Ein Traum wurde wahr. Als kleines Kind habe ich am TV die Begeisterung der Sportler bei Eröffnungen bewundert. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal wirklich die Flagge ins Stadion tragen würde», erzählte Phelps.

Die Wahl der US-Sportler war einmütig. «Er inspiriert jeden von uns, es gibt keinen Besseren für diese Aufgabe», sagte Schwimm-Kollegin Katie Ledecky. Mit 19 ist sie schon neunfache Weltmeisterin, eine Art künftiger weiblicher Phelps vielleicht. Beide absolvierten mit 15 ihre ersten Olympischen Spiele. Ledecky gewann auf Anhieb Gold, Phelps musste darauf vier Jahre warten. Aber dann wartete er mit imposanten Zahlen auf.

Dass über Phelps derzeit nur Lobeshymnen zu vernehmen sind, war vor noch nicht einmal zwei Jahren nicht absehbar. Nach dem Rücktritt 2012 wusste er nicht viel Sinnvolles mit seiner Zeit anzufangen. Seine Alkohol- und Spielsucht endete in einer Fahrt mit 1,4 Promille bei überhöhter Geschwindigkeit. Die Festnahme, eine Verurteilung zur zweiten Bewährungsstrafe nach 2004 und eine Suchttherapie mit 45 Tagen in einer Entzugsklinik waren die Folge. Die Familie hat Phelps wieder den Halt gegeben, der im Partyleben mit Kumpels und vielen Golfrunden zwischendurch verloren gegangen war.

Seine Verlobte Nicole Johnson und die Geburt von Boomer, bei dessen zweitem Vornamen Phelps durch seinen langjährigen Heimtrainer Bob Bowman inspiriert wurde, haben die Koordinaten in Leben des Michael Fred Phelps II verschoben: «Ich habe zehnmal mehr Emotionen in mir als zuvor.» Ganz stolzer Vater, postet er Bilder des inzwischen zwei Monate alten Säuglings. Er freut sich, dass Boomer dem Papa auch bei Olympia vor Ort zusehen kann. «Das bestgekleidete Baby in der Halle», kündigte Phelps an.

Es gibt aber auch Themen, bei denen die Miene des Schwimm-Superstars von heiter auf betrübt wechselt. Doping und die immer noch ungeklärten Olympia-Starts einiger russischer Schwimmer – darüber kann auch Phelps nicht im lockeren Plauderton parlieren. «Ich weiß nicht, ob ich jemals in einem sauberen Sport Wettkämpfe hatte. Es ist verstörend, aber ich kann nur mich kontrollieren.»

Phelps könnte als dritter Sportler überhaupt in einer Disziplin zum vierten Mal nacheinander Olympiasieger werden; das war zuvor nur Diskuswerfer Al Oerter und Weitspringer Carl Lewis gelungen. Zwei Gelegenheiten hat Phelps in Rio bei seinen drei Einzel- und bis zu drei Staffelstarts: über die 200 Meter Lagen und die 100 Meter Schmetterling.

Wehmut über den wohl endgültigen Abschied von der Sportbühne lässt Phelps öffentlich (noch) nicht zu. Stattdessen kokettiert er mit dem Comeback des Comebacks: «Nur, um in vier Jahren nicht verhauen zu werden: bei meinen wahrscheinlich letzten Olympischen Spielen.» Sein Kumpel glaubt ohnehin nicht so recht an das finale Goodbye. Ryan Lochte prognostiziert: «Ich habe schon 2012 gesagt, dass es nicht seine letzten Olympischen Spiele waren und habe Recht behalten. Und er wird wieder kommen.»

Fotocredits: Patrick B. Kraemer

(dpa)
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