Olympia-Finale als Karriereabschied für Neid
Rio de Janeiro – Nach dem Endspiel am Freitag im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro ist Silvia Neid bestenfalls Olympiasiegerin – ganz sicher aber nicht mehr Bundestrainerin.
«Das ist der Wahnsinn, das mein letztes Spiel mit der Frauen-Nationalmannschaft in diesem Stadion stattfindet, sprich im Finale. Das ist schon toll», sagte Neid in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur vor dem Duell mit Schweden.
«Wir wollen morgen ein i-Tüpfelchen auf das Ganze setzen. Wir würden diese Goldmedaille so gerne gewinnen», ergänzte Neid auf einer Pressekonferenz. «Mir ist es ziemlich egal, wer der Favorit ist. Ich wünsche mir einfach nur, dass wir gewinnen. Dafür werden wir alles tun.»
Für Neid geschieht derzeit alles zum letzten Mal. «Ich glaube, das kann ich nicht ausblenden. Das will ich auch gar nicht. Ich werde das total genießen», sagte sie vor dem großen Finale ihrer langen Karriere mit der Nationalmannschaft. «Die letzte Vorbereitung, die letzte Analyse, die letzte Spielbesprechung – das werde ich alles aufsaugen und genießen.»
Schon vor dem Anstoß bedankte sich Neid bei ihren Spielerinnen für die Chance auf den perfekten Abschluss. «Ich freue mich darüber, dass die Mannschaft mir das geschenkt hat, dass ich hier sechs Spiele spielen darf», sagte die 52-Jährige. «Noch nie hat es eine deutsche Frauen-Nationalmannschaft geschafft, bei den Olympischen Spielen im Finale zu stehen. Ich bin total stolz auf meine Mannschaft.»
Ob Dzsenifer Marozsan mitwirken kann, entscheidet sich erst spät. Die Mittelfeldspielerin laboriert seit dem Halbfinale an einer Muskelverhärtung im Oberschenkel. Alle anderen Spielerinnen sind fit.
Wenn Neid ihr Amt nach der Rückkehr aus Rio an ihre derzeitige Assistenztrainerin Steffi Jones übergibt, endet im Deutschen Fußball-Bund eine Ära. Denn die Nationalmannschaft ohne sie – das gab es noch nicht. Als Spielerin war Neid schon beim ersten Länderspiel dabei, am 10. November 1982 gegen die Schweiz (5:1). Sie wurde in der 41. Minute eingewechselt und schoss eine Minute später das 3:0.
Als Aktive, Co-Trainerin von Tina Theune-Meyer (1996 bis 2005) und Cheftrainerin (2005 bis 2016) war Neid an allen Erfolgen der Nationalmannschaft beteiligt. Sie wurde Weltmeisterin, Europameisterin und holte Medaillen bei Olympischen Spielen. 2010 und 2013 bekam sie die Auszeichnung zur Trainerin des Jahres. Ganz verloren geht sie dem DFB aber nicht. Als Chefin der neuen Abteilung für Frauen und Juniorinnen beobachtet sie künftig, ähnlich wie Urs Siegenthaler bei den Männern, weltweit die Trends.
Ausnahmslos von Harmonie geprägt war ihre Zeit als Trainerin nicht. Vor allem nach der enttäuschenden Heim-WM 2011 mit dem Aus im Viertelfinale hagelte es Kritik, auch der nicht zufriedenstellende vierte Platz bei der WM 2015 in Kanada sorgte für Ärger. «Es lief vielleicht nicht immer alles positiv, aber schlussendlich hatte sie mehr Erfolge als Misserfolge», sagte Melanie Behringer, die mit fünf Toren in fünf Spielen maßgeblichen Anteil am Finaleinzug in Rio hatte. «Sie hat uns gefordert und gefördert. Sehr viel beigebracht. Wir können nur danke sagen, dass sie uns so weit gebracht hat.»
Die Spielerinnen kennen gar nicht das Gefühl, im DFB-Trikot aufzulaufen, wenn Neid nicht auf der Bank sitzt. Selbst die erfahrene Kapitänin Saskia Bartusiak hat ihre 100 Länderspiele unter ihr absolviert – und die Wandlung der Chefin hautnah miterlebt. «Sie hat die komplette Geschichte im Frauenfußball mitgeschrieben, ob als Spielerin, Co-Trainerin oder als Bundestrainerin. Sie hat sich in den letzten Jahren ein bisschen mehr geöffnet», erzählte Bartusiak.
Auch Behringer berichtete davon, dass Neid verstärkt nach Meinungen der Spielerinnen fragt. «Da hat sie sich sehr gut entwickelt», sagte die Bayern-Spielerin. «Ich würde es ihr total gönnen, wenn wir jetzt Gold gewinnen. Das wäre für sie der perfekte Abschluss. Aber ich glaube, sie ist auch jetzt schon stolz.»
Athleten deutsche Olympiamannschaft
Fotocredits: Cristiane Mattos
(dpa)