Nordkoreanische Zwillinge schneller als die Hahners
Rio de Janeiro – Lisa und Anna Hahner fiel die Kinnlade herunter. Andere Zwillinge? Schneller als wir? Hye-Song und Yhe-Gong Kim aus Nordkorea kamen als Zehnte und Elfte ins Ziel des olympischen Marathons im Sambódromo.
Die Hahners, die sich gerne als schnellste Marathon-Zwillinge der Welt bezeichnen, waren da noch lange nicht in Sicht. Sie landeten unter ferner liefen. Der 42,195-Kilometer-Klassiker schrieb am Sonntag wieder einmal viele Geschichten. Auch jene vom Ende eines langen Wartens: Jemima Sumgong eroberte das erste Gold für die Laufnation Kenia in der 32-jährigen Geschichte des Frauenmarathons bei Sommerspielen.
Die 31-Jährige setzte sich in 2:24:04 Stunden vor Eunice Jepkirui Kirwa durch, die in Kenia geboren ist, aber für Bahrain startet. Bei Temperaturen an die 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit fiel Weltmeisterin Mare Dibaba aus Äthiopien wenige Kilometer vor Schluss aus dem Spitzentrio zurück und musste sich mit Bronze begnügen. Kurz vor dem Ziel waren noch unbekannte Personen auf die Strecke in Richtung Sumgong gelaufen, Polizisten auf Motorrädern drängten eine Person ab.
Die Regensburgerin Anja Scherl kam als 44. in 2:37:23 Stunden als beste Deutsche an – und sank erstmal zu Boden, wo sie minutenlang liegen blieb. «Die Erschöpfung war doch groß, aber ich habe mich schnell wieder gefangen», sagte die 30-jährige Regensburgerin später. Die Software-Entwicklerin ist voll berufstätig, hat einen 40-Stunden-Job und gilt als Entdeckung des Jahres in der deutschen Laufszene. «Ein gigantisches Erlebnis», schwärmte sie. Auch DLV-Disziplintrainerin Katrin Dörre-Heinig lobte: «Anja hat sich sehr gut verkauft, sie ist ja neu im Metier.»
Lisa und Anna Hahner kamen Hand in Hand ins Sambódromo – als 81. und 82. und nach 2:45:32 Stunden. «Mein rechtes Bein hatte zugemacht», klagte Anna. «Meine Beine waren nicht so toll von Anfang an», sagte Lisa. «Aber die Stimmung war grandios.» Insgesamt seien sie nur drei oder vier Kilometer zusammengelaufen, ein paar hundert Meter vor dem Ziel fanden sie sich jedoch wieder.
Leila, Liina und Lily Luik verpassten den werbewirksamen Zieleinlauf Hand in Hand: Die Drillinge aus Estland wurden im Laufe des Hitze-Rennens auseinandergerissen. Liina musste aufgeben, Leila wurde 114., Lily 97. Die 30-Jährigen hatten lange als «Trio to Rio» für ihre olympische Mission geworben.
Auch die Hahners hatten ihre Olympia-Premiere groß verkauft. Beide blieben weit über ihren Bestzeiten. «Wir hatten gehofft, dass wir einen Tick schneller laufen, aber die Zeit ist während des Rennens in den Hintergrund gerückt», sagte Anna.
«Es war nicht mehr zu erwarten», sagte Dörre-Heinig zu den Zeiten. Sie sieht ebenso wie ihr Mann Wolfgang, der frühere Heimcoach der Hahners, die PR-Offensive der Läuferinnen sehr kritisch. «Die Ablenkung war viel zu groß», monierte sie.
Den Eintrag auf ihrer Homepage («Wir sind die weltweit schnellsten Marathonzwillinge») müssen die Hahner-Twins jedenfalls nach Olympia ändern. «Dann haben wir ja noch ein Ziel», kommentierte Lisa die Leistung der deutlich schnelleren Nordkoreanerinnen.
Fotocredits: Bernd Thissen,Sebastian Kahnert,Sebastian Kahnert
(dpa)