Nigerias Fußball – Sport und Chaos gehören zusammen
Sao Paulo – Das Chaos ist ein ständiger Begleiter im nigerianischen Fußball. Das war auch bei den Olympischen Spielen in Brasilien bislang nicht anders.
Im Lager des «Dream Teams», wie die Mannschaft von U23-Trainer Samson Siasia angesichts des Erfolges mit dem Einzug in das Halbfinale gegen Deutschland genannt wird, herrschte von Beginn an Unruhe.
Eine Posse um nicht bezahlte Flugtickets und ein zu kleines Flugzeug hatte bereits die Anreise zum ersten Spielort Manaus massiv verzögert. Einem Bericht zufolge hatte das Sportministerium das Geld für die Chartermaschine zu spät überwiesen, dann war den Spielern der Flieger zu klein.
Während des Turniers wurde bekannt, dass auch Gehälter und Prämien für Trainer und Spieler noch ausstehen. Kapitän John Obi-Mikel vom FC Chelsea übernahm in São Paulo sogar eine Hotelrechnung von 4600 Dollar. Mittlerweile hat sich das Sportministerium eiligst eingeschaltet, nach Angaben des nigerianische Verbandes habe Obi-Mikel das Geld wieder zurückerhalten.
Diese in Deutschland kaum vorstellbaren Umstände sind Alltag im bevölkerungsreichsten Land in Afrika. Der westafrikanische Staat ist neben Angola zwar einer der größten Ölproduzenten des Kontinents. Die Mehrheit der 177 Millionen Menschen lebt trotzdem in Armut, auch weil Korruption an der Tagesordnung ist.
Die gesellschaftliche Struktur und die politischen Verhältnisse sind komplex. Im Norden leben Muslime, im Süden Christen. Im Nordosten Nigerias treibt die Terrororganisation Boko Haram ihr Unwesen. Der 2015 neu gewählte Präsident Muhammadu Buhari will Korruption und Armut bekämpfen. Wegen des niedrigen Ölpreises und einer sinkenden Produktion aufgrund von Sicherheitsproblemen im Niger-Delta hat die Regierung jedoch kaum finanziellen Spielraum.
Der Fußball bleibt von diesen Verhältnissen nicht unbeeinflusst. Sunday Oliseh, Olympiasieger von Atlanta 1996, trat erst im Februar dieses Jahres wegen ausstehender Gehaltszahlungen nach nur wenigen Monaten als Nationaltrainer zurück. Der Verband war 2014 von der FIFA kurzfristig suspendiert, weil der Staat Einfluss auf personelle Entscheidungen nehmen wollte.
In dieser Gemengelage erscheint sportlicher Erfolg unmöglich. Dennoch gelang dem Ausnahmeteam mit Bundesligaprofis wie Jay-Jay Okocha, Oliseh, Victor Ikpeba oder Taribo West 1996 der Gold-Coup, als nacheinander Brasilien (4:3 n.V.) und Argentinien (3:2) besiegt wurden.
Im aktuellen Team gibt es kaum klingende Namen, neben John Obi-Mikel sind Torhüter Vincent Enyeama (OSC Lille), Ahmed Musa (Leicester City) und Sadiq Umar (AS Rom) noch ein Begriff. In Nigeria zieht der Nationalsport Millionen zum Public Viewing vor die Fernsehgeräte – auf dem Land zumeist an Dorfläden neben ratternden Strom-Generatoren.
Das Sportministerium schickte vor dem Halbfinale gegen Deutschland eine Botschaft an die Mannschaft: «Ich bin gerührt von Eurem Patriotismus. Ihr habt vom Präsidenten bis zum einfachen Mann jeden glücklich gemacht. Habt Geduld, Ihr werdet belohnt, Ihr holt Gold», sagte Chinyeaka Ohaa, Sekretär des Sportministers.
Fotocredits: Cristiane Mattos
(dpa)