Neuwagen verbrauchen weiter viel mehr als angegeben

Berlin – Neuwagen in Europa verbrauchen einer Analyse zufolge immer noch viel mehr Sprit als von den Herstellern angegeben – es könnte aber eine Trendwende geben.

Experten stellten erstmals seit Jahren fest, dass die Kluft zwischen offiziellem Wert und tatsächlichem Alltagsverbrauch auf der Straße leicht zurückgegangen ist. Das geht aus einem neuen Bericht der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) hervor, die bei der Aufdeckung des Diesel-Skandals eine Schlüsselrolle gespielt hat.

39 Prozent höher als angegeben

Demnach lag 2017 der reale Kraftstoffverbrauch neuer Pkw um durchschnittlich 39 Prozent höher als der von den Fahrzeugherstellern genannte Testverbrauch. Die Abweichung sei damit gegenüber dem Vorjahr erstmals leicht zurückgegangen, und zwar um einen Prozentpunkt. Die Daten für 2018 können die Experten erst Mitte dieses Jahres auswerten.

Das ICCT hatte 2012 mit einer jährlichen Untersuchung des Kraftstoffverbrauchs begonnen, seitdem war die Kluft Jahr für Jahr größer geworden. Trotz des Rückgangs ist der Unterschied zwischen offiziellem und tatsächlichem Verbrauch laut ICCT noch vier Mal so groß wie 2001.

Rund 400 Euro Mehrausgaben im Jahr

Die Mehrausgaben für den zusätzlichen Sprit betragen demzufolge für einen durchschnittlichen Autofahrer rund 400 Euro pro Jahr. Der angegebene Kraftstoffverbrauch von Pkw wird unter einheitlichen Bedingungen in Testlabors ermittelt. Seit September 2018 gilt für alle Neuwagen allerdings das neue Testverfahren WLTP, das für realistischere Werte sorgen soll. Für neue Fahrzeugtypen ist es schon seit September 2017 in Kraft. Das Verfahren berücksichtigt verschiedene Situationen und Geschwindigkeiten im Straßenverkehr, aber auch verschiedene Arten der Ausstattung und Gewichtsklassen.

Darauf verwies auch der Verband der Automobilindustrie (VDA): Die Erkenntnisse der ICCT-Berichte zu dem Thema seien stets die gleichen. Der alte Labortest bilde die heutige Realität der Modelle und des Straßenverkehrs nicht mehr adäquat ab. Zudem unterschieden sich Emissionswerte von Fahrzeugen im Labor und auf der Straße grundsätzlich, weil im Labor Bedingungen wie Wetter, Verkehrslage oder Gelände nicht einbezogen werden könnten. Auch die individuelle Fahrweise habe erheblichen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch. Das neue Messverfahren stelle Verbrauch und CO2-Werte realistischer dar und bringe den Kunden damit mehr Sicherheit.

Verschärfte Klimaschutzvorgaben

Die ICCT-Forscher vermuten für den Rückgang der Werte zwischen dem offiziellen und realen Verbrauch ein verstärktes öffentliches Interesse an den Abgaswerten in Folge des Diesel-Skandals. Sie hatten durch ihre Untersuchungen die Abgas-Affäre bei VW mit aufgedeckt. Dabei ging es um den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide (NOx), der ebenfalls oft viel höher liegt als in den Papieren angegeben.

Der Kraftstoffverbrauch hängt direkt mit dem Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) zusammen. Die Klimaschutzvorgaben sollen in der EU deutlich verschärft werden. Bis 2030 soll die Autobranche nach einer Vorentscheidung von EU-Staaten, EU-Kommission und Europaparlament die CO2-Emissionen von Neuwagen im Schnitt um 37,5 Prozent senken. Ausgangsbasis sind die Vorgaben für 2021, also 95 Gramm CO2 pro Kilometer im Durchschnitt der jeweiligen Flotte. Die Regeln sollen helfen, Klimaschutzziele zu erreichen. Die Autobranche hatte die neuen Vorgaben als zu scharf kritisiert.

«Der Gesetzgeber hat aus früheren Fehlern gelernt», erklärte ICCT-Europa-Chef Peter Mock. Er verwies darauf, dass Hersteller ab 2021 verpflichtet werden sollen, den realen Verbrauch sowie die realen CO2-Emissionen mittels Verbrauchsmessgeräten zu protokollieren. Die EU-Kommission solle eine Methode entwickeln, um Hersteller, die sich durch unrealistisch niedrige Angaben einen Vorteil verschaffen wollten, zu bestrafen, forderte Mock. «Nur so kann es gelingen, die Abweichung zwischen offiziellen und realen Werten in den kommenden Jahren endlich wieder deutlich abzusenken.»

Fotocredits: Arno Burgi
(dpa)

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