Neuer Museums-Typ in USA giert nach Instagram
New York – Fluffige Wolken zum Anfassen. Sanfter Regen aus Seifenblasen. Bällebad, Glitzervorhänge, Zuckerwatte. Die Räume in der «Dream Machine» in New York sind wie aus Träumen gepflückt, man fühlt sich im Foto-Shooting zu «Alice im Wunderland».
Die Schau ist die jüngste in einer Reihe von Installationen und sogenannten Museen in den USA, die Besucher auf der Jagd nach frischen Likes in sozialen Netzwerken anlockt. Die Formel: Kaum oder gar keine Inhalte, dafür quietschbunte Steilvorlagen für knackigen Stoff auf Instagram.
Gründerin Paige Solomon ist überzeugt, dass die
«Dream Machine» bei Besuchern auch Social Media ziehen würde. «Es ist eine kleine Flucht vor der Außenwelt», sagt sie. «Großartige Fotos» seien erwünscht, aber es gehe auch um eine «spielerische und lustige» Erfahrung ohne Handy oder Kamera.
Fragt sich nur: Was soll man zwischen all diesen Plastik-Attrappen machen, die an einen Waschsalon, einen Urwald oder einen Wolkenhimmel erinnern, wenn nicht ein paar coole Fotos? Für den satten Eintritt von 38 Dollar (31 Euro) wird man wenigstens sein Konto auf Instagram, Facebook oder Snapchat etwas schmücken wollen.
Das
«Museum of Ice Cream» entstand sogar erst durch Instagram. 2016 feierte es in New York Premiere und machte seitdem in Los Angeles, San Francisco und Miami einige Monate Station. Gründer Manish Vora und seine Freundin entdeckten, dass in sozialen Netzwerken doppelt so häufig Beiträge zum Thema Eiscreme veröffentlicht werden wie zur Popdiva Beyoncé – und setzten ihre Witz-Idee in die Tat um: Ein Pop-Up-Museum rund um das Thema Eiscreme.
Kunstfaktor? Lernfaktor? Gering. Instagram-Faktor? Riesig. Jeder Raum ist auf fotogen getrimmt mit Zuckerluftballons, Wänden voller Waffelhörnchen, einem Pool voller bunter Streusel mit pinkfarbenen Wasserbällen, einem Kakaobrunnen zum Trinken, einem überdimensionalen Eisbecher, einer Eislöffel-Wippe und einer Eissandwich-Schaukel. «Wenn dein Erlebnis nicht Instagram-tauglich war, dann ist es für viele Menschen kein Erlebnis gewesen», sagt Gründer Vora. Sogar Stars wie Beyoncé, Gwyneth Paltrow und Kim Kardashian kamen zu Besuch.
Die Nachahmer ließen nicht lange auf sich warten. Im etwas lieblos zusammengezimmerten
«Egg House» wird das Ei in all seinen Formen zur Foto-Kulisse, die
«Color Factory» in San Francisco feiert die Welt der Farben. Und natürlich läuft auch schon der Ticket-Vorverkauf zum
«Museum of Pizza», das dem beliebten Fast-Food im Oktober in New York mitunter eine «Käse-Höhle» und einen «Pizza-Strand» widmet. Könnten bald «Museen» für Hamburger, Kaugummi und Cola folgen?
Besucher wollten ihren Freunden online zeigen, «was für coole Dinge sie unternehmen», sagt Courtney Spritzer, Gründerin der PR-Agentur Social Fly, die Unternehmen bei deren Social Media-Strategie berät. Text-Erklärungen, etwa zur Entstehung von Träumen oder der Erfindung von Eiscreme, «können sie einfach googeln», sagt Spritzer über die jungen Millenials. «Sie kommen wegen der visuellen Erfahrung.» Die Instagram-Museen würden daraus nun geschickt Kapital schlagen.
Selbst vor echten Kunstmuseen und Galerien bilden sich heute oft die längsten Warteschlangen, wenn die Schau drinnen «fotogene Momente» bietet, wie Spritzer es nennt: Die gespiegelten «Infinity Rooms» der japanischen Künstlerin
Yayoi Kusama etwa, die pulsierende Glitzerwelt der Schweizer Multimedia-Meisterin Pipilotti Rist oder die als
«Rain Room» bekannte Regen-Installation im MoMA 2013. Und wo ein Foto einst den Museumsbesuch dokumentierte, wird das Bild oft zum Selbstzweck. «Beläuft sich die Erfahrung auf das kleine quadratische Foto, das man online stellt?», fragt das Magazin «Wired».
Der Kunstbetrieb hat längst erkannt, wie es die Generation Instagram ködern kann. Wer 2016 die Smithsonian-Ausstellung
«Wonder» in Washington besuchte, sah Werke von neun Künstlern, die nichts miteinander verband außer die bizarren Strukturen, fantastischen Farben und die daraus resultierenden, hohen Like-Quoten ihrer Werke. Besucher wollten diese Kunst durchaus sehen, sie vor allem aber fotografieren, fasste die «Washington Post» zusammen. «Manchmal ist schwer zu sagen, was ihnen wichtiger ist.» Der Blick vieler wanderte von der Kunst schnell auf das Handy-Display – und verweilte dort.
Nach über 100 Jahren Amateurfotografie richten die Menschen die Kameralinsen immer mehr auf sich selbst – die neue Gattung des Instagram-Museums ist die räumliche Antwort darauf. «Im vor-digitalen Zeitalter der Fotografie war die Botschaft: «Dies ist, was ich sehe. Ich habe es gesehen», sagte
JiaJia Fei, frühere Direktorin für Digitales beim Guggenheim Museum, 2015. «Heute lautet die Botschaft: »Ich war hier. Ich kam, sah, und machte ein Selfie.»
Fotocredits: Johannes Schmitt-Tegge,Johannes Schmitt-Tegge,Johannes Schmitt-Tegge,Johannes Schmitt-Tegge
(dpa)