Namibia will keine deutschen Straßennamen mehr
Windhuk(dpa) – Von der Mozartstraße rollt das Taxi auf die Bismarckstraße, vorbei an der Post- und Vogelsangstraße: Was ein Viertel in Berlin sein könnte, ist ein Ort gut 8000 Kilometer südlich von Deutschland.
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Windhuk, der Hauptstadt Namibias, erregen solche Straßennamen seit Jahrzehnten die Aufmerksamkeit deutscher Urlauber. Lachend zeigen sie auf die Schilder: Eine Bahnhofstraße in Afrika? Das gibt es doch gar nicht, denken viele.
Doch für viele einheimische Politiker sind die Namen inzwischen vor allem eine Erinnerung an die dunkle Vergangenheit der deutschen Kolonialherrschaft von 1884 bis 1915. Sie fordern neue Straßennamen. Ziel der Umbenennungen ist es, von den Helden des afrikanischen Befreiungskampfes zu erzählen, nicht von den brutalen Kolonialisten, wie der Sprecher der Stadt Windhuk, Scheifert Shigwedha, erklärt.
Aus der Feldstraße etwa soll laut einem Beschluss der Stadt vom April die Sir-Seretse-Khama Straße werden, benannt nach dem ersten Präsidenten Botsuanas. Komponist Johann Sebastian Bach soll Platz machen für ein früheres Stammesoberhaupt der Herero, Chief Kuaima Riruako. Den Ausspannplatz taufte die Stadt schon Anfang Mai in Agostinho-Neto-Platz um. Namensgeber ist der erste Präsident Angolas.
Und jetzt geht es noch dem früheren deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck an den Kragen. Die Jugendorganisation der Regierungspartei Swapo hat einen Antrag zur Umbenennung eingereicht. Die nationale Identität solle gestärkt werden, heißt es darin. «Bismarck verdient keine Straße.» Die Stadt stimmte dem Antrag zu. Bismarck müsse als «Vater des Kolonialismus» angesehen werden und sei damit verantwortlich für Zerstörung und Leid in Namibia, hieß es.
Im 19. Jahrhundert wollten die Deutschen neben anderen europäischen Mächten «einen Platz an der Sonne» ergattern. Das Kaiserreich ging etwa im damaligen Deutsch-Südwestafrika skrupellos vor, um seine Herrschaft zu festigen. Der Widerstand der Herero und Nama wurde von 1904 bis 1908 brutal niedergeschlagen, Zehntausende wurden getötet. Historiker sehen darin den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.
Trotz allem sind die Spuren des deutschen Einflusses in dem afrikanischen Land mit rund 2,5 Millionen Einwohnern weiter sehr präsent. In Namibia wird Bier nach dem Reinheitsgebot gebraut, in den Geschäften sind Landjäger-Würstchen erhältlich. Zudem gibt es mit der «Allgemeinen Zeitung» die einzige deutschsprachige Tageszeitung außerhalb Europas. Schätzungen zufolge ist Deutsch nur noch für rund 14.000 Namibier die Muttersprache, es handelt sich allerdings um eine einflussreiche Minderheit.
Deutsch-Namibier dürften sich trotz der Umbenennungen nicht zu sehr beklagen, sagt auch Vaatz. «Wir haben immerhin eine deutsche Zeitung, wir haben deutsche Schulen hier, wir haben ein deutsches Radio.»
Zudem gibt es vor der Zentrale der Regierungspartei Swapo in Windhuk eine Straße mit deutschem Namen, die vor einem Namenswechsel sicher zu sein scheint, denn sie wurde erst Anfang der 1990er Jahre umbenannt – um einem deutschen Außenminister für seine Unterstützung bei Namibias Streben nach Unabhängigkeit von Südafrika zu danken: Es ist die Hans-Dietrich-Genscher-Straße.
Fotocredits: Florian Pütz
(dpa)