Müller mosert – Flick vor Blitz-Krönung zum Double-Coach
München – Thomas Müller moserte, als wenn er sein insgesamt achtes DFB-Pokalfinale mit dem FC Bayern seit 2010 gerade krachend verpasst gehabt hätte.
«Summa summarum war es eines der pomadigsten Halbfinals, die ich so in Erinnerung habe», grantelte der Ur-Bayer nach dem wackligen 2:1 (1:0) gegen Eintracht Frankfurt, mit dem der 19-malige Rekordgewinner in sein 24. Pokalendspiel einzog.
Für den stolzen und zugleich enttäuschten Eintracht-Coach Adi Hütter erwiesen sich die Münchner Geisterspiel-Spezialisten zumindest in der zweiten Spielhälfte als «schlagbar», was auch Bayer Leverkusen anspornen dürfte für den Kampf um den nationalen «Pott» am 4. Juli im auch dann (wohl) zuschauerlosen Berliner Olympiastadion.
Müllers schier unendliche Mängelliste drohte vor der TV-Kamera am späten Mittwochabend beinahe die Sendezeit der ARD zu sprengen. «Wir waren pomadig, müde, geschlaucht von den letzten Wochen. Das hat sich leider in der zweiten Halbzeit verschlimmert. Wir waren unsauber in unserem Spiel, wie wir es von uns nicht gewohnt sind. Auch unser Pressing konnte über weite Strecken nicht so genannt werden. Gefühlt bin ich alles andere als zufrieden», kritisierte der 30-Jährige.
Immerhin habe man nach dem 1:1 von Frankfurts Danny da Costa in der 69. Minute «noch mal das Extragas rausgeholt», um sich mit dem 45. Saison-Pflichtspieltor von Robert Lewandowski (74.) ins Ziel zu retten und einer drohenden Verlängerung und dem möglichen K.o. zu entgehen. «Wir waren einer Sensation sehr nahe», meinte Hütter.
Bayern-Coach Hansi Flick kritisierte lieber seinen ehemaligen Arbeitgeber DFB für die aus seiner Sicht «unglückliche» Ansetzung des «Pokalfights» zwischen den Bundesliga-Spitzenspielen in Leverkusen und an diesem Samstag gegen Borussia Mönchengladbach. «Gerade nach dem Restart hat jede Mannschaft viele Spiele in den Knochen. Man merkt das schon. Wir haben verletzte, angeschlagene und gesperrte Spieler», stöhnte der Trainer mit dem exklusivsten Kader der Liga.
In der Vorfreude auf sein erstes Pokalfinale als Trainer und der geradezu märchenhaften Aussicht auf seine Blitz-Krönung zum Double-Coach gerade mal sieben Monate nach seiner Beförderung vom Niko-Kovac-Assistenten zum Chef von Müller und Co. dominierte in Flicks Analyse der 90 Minuten aber die Danksagung an sein Team.
«Ich muss meiner Mannschaft einfach ein Riesenlob aussprechen, weil sie in diesem Jahr 2020 hervorragend performt. Wir haben einen Riesenlauf, da kann man auch die zweite Halbzeit einfach mal hinnehmen», sagte er milde. Von den letzten 21 Pflichtspielen haben die Münchner 20 gewonnen, dazu kommt ein 0:0 gegen RB Leipzig.
Müllers massive Selbstkritik dokumentierte im Grunde nur, welches hohe Anspruchsniveau die nimmersatten Münchner Trophäenjäger an sich stellen. Flick imponierte, wie sein Team sich nach dem Chancenwucher der ersten Hälfte, als überforderte Frankfurter mindestens mit 0:3 zurückliegen mussten, aufrappelte. «Mir war wichtig, dass wir uns nach dem 1:1 dagegengestemmt und noch mal ein Tor oben drauflegt haben», kommentierte Flick den einzigartigen Siegeswillen.
Danach richtete er den Blick auf den Endspurt dieser komplizierten Corona-Saison. Das Triple-Wort fiel am Mittwochabend noch nicht, aber die 30. Meisterschaft und der 20. DFB-Pokalsieg und damit das 13. Double der Vereinshistorie sind ins Pflichtenheft eingetragen.
Im Idealfall könnte schon gegen Gladbach – allerdings ohne die gelbgesperrten Lewandowski und Müller – der achte Liga-Titel am Stück fix gemacht werden. Flicks Rechnung aber geht vier Runden vor Schluss anders: «Wir brauchen noch zwei Siege, die wollen wir so schnell wie möglich einfahren.» Auch er zweifelt am Titelgewinn nicht mehr.
Danach können sich die Fans in Deutschland auf ein Pokalendspiel freuen, das laut Flick selbst im ungeliebten Geisterformat ein Festabend werden könnte. «Bayer ist eine Mannschaft, die einen sehr schönen Fußball spielt. Von daher kann sich der neutrale Zuschauer sicher auf ein schönes Spiel freuen», meinte Flick.
Er würde sich wünschen, dass im Zuge der positiven Entwicklung der Corona-Infektionszahlen das über 70.000 Zuschauer fassende Olympiastadion zumindest teilweise gefüllt werden dürfte. «Wenn es so wäre, wäre es natürlich schön», sagte Flick vorsichtig – aber ohne echten Glauben daran: «Ich weiß nicht, ob das jetzt schon soweit sein kann, dass in Berlin eventuell Zuschauer sind. Ich kann es mir fast nicht vorstellen.»
Auf pomadige Bayern, das versprach der mosernde Müller schon mal, sollte sich mit oder ohne Publikum in Berlin niemand einstellen – schon gar nicht der Herausforderer im Finale. «Mit Leverkusen ist ein Gegner auf dem Platz, der große Fähigkeiten hat», sagte Müller. «Aber wir haben am Wochenende eine Duftmarke gezeigt», erinnerte er an das starke 4:2 um Ligapunkte: «Das wollen wir in Berlin wieder zeigen.»
Fotocredits: Kai Pfaffenbach
(dpa)