Mit dem Maler Bruegel durch Brüssel
Brüssel (dpa/tmn) – Bruegel und Brüssel: Der Maler und die Stadt teilen eine Schwäche fürs Feiern, für gutes Essen und Trinken und für unangepasstes Verhalten. Deshalb bietet es sich an, Bruegel und Brüssel gemeinsam zu erforschen.
Ein besonderer Anlass dafür ist dieses Jahr der 450. Todestag des Künstlers am 9. September. «Bauern-Bruegel», so lautet ein in Deutschland immer noch gängiger Beiname für den
flämischen Renaissance-Maler. Dabei war Pieter Bruegel (1525/1530-1569) ein Großstädter, der erst in Antwerpen und dann in Brüssel, aber nie auf dem Land lebte. Er war ein so klinisch genauer Beobachter, dass Mediziner seinen Figuren Jahrhunderte später alle möglichen Krankheiten attestieren können.
Königliche Museen der Schönen Künste
Eine der besten Adressen, um sich davon zu überzeugen, sind die Königlichen Museen der Schönen Künste von Belgien (KMSKB). Er liegt in der Nähe des Königlichen Palastes in der Oberstadt. Ein paar Schritte weiter hat man einen wunderbaren Blick auf die Unterstadt, die vom Turm des Rathauses am Grand-Place/Grote Markt dominiert wird.
Die KMSKB verfügen nach dem Kunsthistorischen Museum in Wien über die größte Kollektion von Bruegel-Gemälden, es sind allerdings auch nicht mehr als fünf. Kaum 40 Gemälde sind überhaupt bekannt. Allerdings vereint jedes große Gemälde von Bruegel in sich zahllose kleine. Es sind Wimmelbilder mit Hunderten von Figuren.
Erfinder der Winterlandschaft
Bruegel ist sowohl der Maler ausgelassener, überreicher Sommer als auch der Erfinder der Winterlandschaft. Dieses Genre war vor ihm absolut unbekannt. Die KMSKB besitzen gleich zwei seiner großen Schneebilder, die «Volkszählung zu Bethlehem» und die «Winterlandschaft mit Eisläufern und Vogelfalle». Diese Arbeiten sind auch unter meteorologischem Aspekt interessant, denn sie dokumentieren die Kleine Eiszeit, die Europa im 16. Jahrhundert fest im Griff hatte. Damals trieben im Winter Eisberge durch die Nordsee.
Das wohl schönste und spannendste Bruegel-Werk in Brüssel ist
«Der Sturz der rebellierenden Engel» – ein Bild, von dem man kaum glauben kann, dass es von 1562 datiert, so modern wirkt es mit seinen leuchtenden Farben und den an Fantasy-Figuren erinnernden Dämonen. Thema ist die erste Konfrontation zwischen Gut und Böse: Erzengel Michael verjagt Luzifer, der gegen Gott aufbegehrt. Der Kampf der Engel steckt voller Bezüge auf das damals gerade neu entdeckte Amerika. Es findet sich zum Beispiel der Panzer eines Gürteltiers, verfremdet als Metallrüstung eines Dämonen.
Diese exotischen Dinge kannte Bruegel teils aus eigener Anschauung, denn sie wurden von Brüsseler Adligen in Kunstkammern präsentiert. Und sie waren in gedruckten Nachschlagewerken abgebildet. Der Buchdruck führte im 16. Jahrhundert zu einer Wissensexplosion. Bruegel war mit der neuen Technologie bestens vertraut: Vom 15. Oktober 2019 bis zum 15. Februar 2020 zeigt die Königliche Bibliothek in Brüssel seine eigenen Grafiken, die ihn noch zu Lebzeiten in Europa bekannt machten.
Wie Brügge oder Gent
Faszinierend ist: Wenn man das Museum verlässt, befindet man sich sofort mitten in der Gegend, in der Bruegel gelebt hat. Es sind nur wenige Fußminuten bis zu dem backsteinernen Haus mit Treppengiebel, das sein Zuhause gewesen sein soll. Dass der Meister in diesem Stadtteil gewohnt hat, steht fest – dass er aber wirklich einen Fuß in dieses Haus gesetzt hat, kann nicht belegt werden.
Es lohnt, sich das Haus in der Hoogstraat 132 von außen anzusehen, denn genau solche Häuser finden sich auf fast allen Bruegel-Gemälden. Auch das damalige Brüssel muss man sich so spitzgiebelig vorstellen: Es sah eher aus wie Brügge, Gent oder eine holländische Stadt. Seinen heutigen Charakter mit Repräsentationsarchitektur, Baustil-Mix und französischen Avenuen erhielt Brüssel erst in den letzten 150 Jahren.
Das Bruegel-Haus liegt in den Marollen, einem liebenswert unaufgeräumten Volksviertel, in dem viele Ladenbesitzer und Flohmarkt-Besucher direkt einem seiner Gemälde entsprungen sein könnten. Die Marollen und ihre zu Aufständen neigenden Bewohner hat kein Herrscher je richtig unter Kontrolle bekommen. König Leopold II. (1835-1909) versuchte es im 19. Jahrhundert mit einem gigantischen Justizpalast, größer als der Petersdom in Rom, der das Viertel seitdem überragt. Seinen anarchischen Charakter aber auch nicht verändern konnte. So erschließt sich mit Bruegel der eigentliche Charakter der etwas sperrigen Millionenmetropole.
Ein mächtiger Turm
Ein Gebäude, das Bruegel oft durchschritten haben muss, ist der Hallepoort, ein perfekt erhaltenes Stadttor am Ausgang der Marollen. Heute beherbergt der mächtige Turm ein historisches Museum. Vom obersten Stockwerk aus hat man eine perfekte Aussicht auf ganz Brüssel. Hier soll sich ab Mitte 2019 ein virtuelles Tor zu Bruegels Universum öffnen: Durch spezielle Fernrohre sieht man dann nicht die heutige Stadt, sondern das Brüssel des 16. Jahrhunderts.
Vor der Kapellenkirche malt Bruegel heute lebensgroß in Bronze, mit einem Äffchen auf der Schulter. In eben dieser Kirche hat er 1563 geheiratet, und schon sechs Jahre später wurde er hier beigesetzt, was eine Gedenkplatte bezeugt. In diesem Jahr sind in der Kirche einige der von ihm erdachten Figuren als farbige Skulpturen versteckt worden. Da steht zum Beispiel ein kleiner Mann in der Ecke und pinkelt gegen die Wand. Ein hybrides Monster hat sich zu Füßen eines Heiligen niedergelassen, und Ikarus ist nach einem missglückten Flugversuch kopfüber im Weihwasserbecken gelandet. Würde eine katholische Kirchengemeinde in Deutschland solche Späßchen erlauben? In
Brüssel ist es jedenfalls kein Thema.
Brüssel
Anreise: Die belgische Hauptstadt ist gleichermaßen einfach per Flugzeug von mehreren deutschen Flughäfen, per Bahn mit dem Thalys oder mit dem Auto zu erreichen.
Informationen: Tourismus Flandern-Brüssel, Stolkgasse 25-45, 50667 Köln (E-Mail: info.de@visitflanders.com, www.visitflanders.de).
Fotocredits: Jean-Paul Remy/Visit Brussels,Régie des Bâtiments,KMSKB,Christoph Driessen,Christoph Driessen,Arthur Los,KMSKB,Piet De Kersgieter/KMSKB,KMSKB,Visit Flanders,urban.brussels,Christoph Driessen,Christoph Driessen
(dpa)