Mexiko vs. Tonga in der Loipe: Olympias heimliche Gewinner
Pyeongchang – Da standen sie im Zielraum, klopften sich auf die Schultern, schwenkten ihre Fahnen und ließen schließlich German Madrazo hochleben.
Der Mexikaner, der gewöhnlich andere Temperaturen gewöhnt ist, hatte sich gerade im 15-Kilometer-Langlaufrennen bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang als Letzter über den Zielstrich gequält, ehe er von seinen Leidensgenossen empfangen wurde. Wie etwa Pita Taufatofua, der Mann aus Tonga, der mit nacktem Oberkörper bei der Eröffnungsfeier weltberühmt wurde. Oder dem Kolumbianer Sebastian Uprimny, der knapp vor Senor Mexiko mit etwas weniger als 25 Minuten Rückstand auf den Schweizer Olympiasieger Dario Cologna das Ziel erreichte. Sie feuerten sich auf den letzten Metern gegenseitig an und halfen sich aus den Skiern.
Entsprechend groß war die Begeisterung im Zielraum des Alpensia Nordic Park, schließlich litten die Zuschauer mit den Exoten, als sie sich im Zeitlupentempo die weißen Hügel hinauf geschleppt hatten. So ließ es sich auch Cologna nicht nehmen, den heimlichen Gewinnern zu gratulieren. «Es ist großartig, so viele Teilnehmer aus so vielen Nationen zu sehen. Es ist klasse, den olympischen Spirit zu sehen», sagte er.
Einer dieser Teilnehmer ist der erste Winter-Olympionike Ecuadors mit dem außergewöhnlichen Namen Klaus Jungbluth Rodriguez. «Ich bin sehr glücklich. Es ist eine große Ehre, dieses Land zum ersten Mal im Winter auf die olympische Bühne zu bringen», sagte der 38-Jährige nach seinem Lauf der Deutschen Presse-Agentur. Platz 112 und fast 20 Minuten Rückstand waren Nebensache: Der ohne Stirnband und Mütze antretende Jungbluth Rodriguez war auf dem wackligen Gerüst für Journalisten gefragter als viele Top-Sportler.
«Es war ein großer Traum von mir und jetzt ist es eine große Leistung. Aber noch größer als für mich ist es für mein Land», sagte der Sportler, der zunächst zehn Jahre Gewichtheben betrieben hatte. Dann wechselte er die Sportart, weil er sich dabei die Knie aufgerieben und kaputtgemacht hatte. Seine Familie reiste nun extra nach Südkorea, um ihn an diesem besonderen Tag zu begleiten. «Ich werde heute Abend mit ihnen schön Essen gehen», sagte Jungbluth Rodriguez.
Der deutschklingende Name kommt bei dem Ski-Exoten nicht von ungefähr. Jungbluth hat einen deutschen Großvater, auch seine Schwester lebte zeitweise in Mitteleuropa. «Sie hat zehn Jahre in Köln studiert», erzählte der 38-Jährige, der sie dort auch besucht hat. Aufgewachsen und sein ganzes Leben verbracht hat er aber in Südamerika.
Seinen Wechsel vom Gewichtheben auf die Skier im Jahr 2012 hat er nie bereut. «Es ist ein sehr gesunder Sport», sagte Jungbluth Rodriguez über den Langlauf. Wie man beim Freistil-Rennen gesehen hat, ist es auch ein internationaler Sport, der in Pyeongchang für schöne Momente sorgte.
So hat jeder seine eigene Geschichte. Wie auch der Marokkoner Samir Azzimani, auch unter dem Spitznamen «Couscous-Rakete» bekannt. In Vancouver 2010 gehörte er noch dem Teilnehmerfeld im Alpin-Bereich an, nun ist er Langläufer. Eigentlich hatte der 40-Jährige vor ein paar Jahren nur eine Sportart gesucht, um wieder in Form zu kommen, ohne sich die Knie zu brechen. Denn eine Leisten-OP hatte seine Sotschi-Teilnahme verhindert. Der Abstecher führte ihn geradewegs wieder nach Olympia.
Auch Taufatofua ist kein Unbekannter. Vor seinem Auftritt bei der Eröffnungsfeier hatte er sich schon 2016 in Rio einen Namen gemacht, damals im Taekwondo. Und die Fahne hatte er auch getragen, natürlich mit freiem Oberkörper und Bastrock. Damals war es aber nicht so kalt.
Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)