Memminger Käfer Cabrio im Test: Zwischen den Zeiten

Berlin (dpa-infocom) – Nur weil ein Käfer mehr als 30 Jahre auf dem Buckel hat, muss er nicht fahren, als wäre er von gestern. Mit diesem Credo hat sich Georg Memminger vor bald zwei Jahrzehnten des VW-Bestellers angenommen und ihn beim Restaurieren Schritt für Schritt ein bisschen weiterentwickelt.

Wer bei dem Bayern einen Klassiker bestellt, bekommt nicht nur einen Oldtimer, der besser dasteht als am Tag der ersten Zulassung. Er bekommt einen Klassiker, der es in beinahe jeder Hinsicht mit einem Neuwagen aufnehmen kann. Das gilt allerdings auch für den Preis, der bei stolzen 95 000 Euro beginnt und sich mit ein paar Sonderwünschen fast verdoppeln lässt.

Original ist nur die Fahrgestellnummer

Vom Original übernimmt Memminger dabei nicht viel mehr als jenen Teil des Grundträgers, in den die Fahrgestellnummer eingestanzt ist und ihm so das H-Kennzeichen sichert. Zudem den Rahmen für die Frontscheibe und ein paar Spriegel des Verdecks.

Denn erstens sind seine Ausgangsfahrzeuge ausschließlich Rostlauben, Unfallwagen und Wracks, die für eine Restaurierung nach üblichem Muster viel zu heruntergekommen wären. Zweitens hat er so lange vergeblich nach hochwertigen Ersatzteilen gesucht, bis er schließlich peu à peu fast alle Karosserie-Bleche, Fahrwerkskomponenten und am Ende auch den Motor selbst hergestellt hat. Bevor Memminger die Teile produziert, perfektioniert er sie eben ein bisschen.

Mit Klimaanlage und Sitzheizung

Unter den frisch bespannten und natürlich neu aufgepolsterten Ledersesselchen seiner Cabrios glüht deshalb auf Wunsch eine Sitzheizung. Eine Klimaanlage kühlt auch den heißesten Sommertag auf erträgliche Temperaturen herunter, im noch immer ziemlich nackten Cockpit weist ein auf alt gemachtes Navigationssystem den Weg, und bei der Arbeit am Steuer hilft eine Servolenkung.

Nur das Verdeck muss man noch von Hand öffnen und danach mühsam die Persenning darüber knöpfen. Selbst wenn ihm sonst Qualität vor Originalität geht, erlaubt sich Memminger so viel Sentimentalität dann doch noch.

Doppelter Hubraum, dreifache Leistung

Die größten Änderungen verstecken sich allerdings unter dem Blech. Denn der typische Boxersound unter der Klappe im Heck rührt nicht mehr von einem asthmatischen 1,6-Liter, der es beim Original selbst im besten Fall auf nicht mehr als 37 kW/50 PS gebracht hat.

Sondern Memminger montiert dort bei seinem Spitzenmodell einen 2,7-Liter großen Vierzylinder, den er auf Basis des so genannten Typ4-Motors aus den VW 411/412 selbst entwickelt hat. Mit fast doppelt so viel Hubraum mobilisiert der Einspritzmotor bis zu 125 kW/170 PS und wirft gegen die gerade einmal 930 Kilogramm stolze 710 Newtonmeter in die Waagschale.

Fahrleistungen wie ein Neuwagen

Das erlaubt Fahrleistungen, die man dem klapprigen Käfer nie zugetraut hätte. Denn von 0 auf 100 km/h beschleunigt das Cabrio in kaum mehr als sechs Sekunden. Wer seinen Fuß danach auf dem schlanken Pedal stehen lässt, erreicht mit mehr als 200 km/h Geschwindigkeiten, die sich Käfer-Erfinder Ferdinand Porsche nie träumen lassen hätte. Selbst der neue Beetle ist kaum schneller – und macht nur halb so viel Spaß.

Nur gut, dass Memminger auch Fahrwerk und Bremsen ausgetauscht hat und der Käfer deshalb keinen Abflug macht. Sogar ein ABS ist neuerdings sicherheitshalber an Bord und an Airbags tüftelt Memminger auch.

Wie ein Porsche, nur mit Buckel

Der Motor hat so viel Drehmoment, dass man ihn ganz gemütlich fahren kann. Selbst zum Überholen muss man nicht aus dem dritten oder vierten Gang zurückschalten.

Er lässt sich aber auch so leicht und lustvoll nach oben jubeln, dass man die meiste Zeit am Schaltknauf hängt, die Gänge bereitwillig ausdreht und spätestens nach der dritten Kurve vergessen hat, dass der Käfer zwar ein enger Verwandter des Porsche 911 ist, aber eigentlich doch kein Sportwagen. Aber wie soll man auch wissen, wo man dran ist, bei einem Auto, bei dem nichts ist wie es scheint.

Fazit: Original oder Fälschung? Egal, Hauptsache Spaß

Das ist bei diesem Käfer Crux und Clou in einem. Denn mit dem historischen Look und modernen Fahrgefühl ist der Memminger Käfer einerseits ein wunderbarer Oldtimer, der die Zuverlässigkeit und vor allem den Fahrspaß eines beinahe modernen Autos bietet. Andererseits ist er eben kein Original mehr, sondern nur noch eine Kopie, die mit allem Kitsch der Neuzeit von der Erinnerung lebt. Doch ein schlechtes Gewissen muss Memminger deshalb nicht haben. Denn das ist beim VW Beetle als offiziellem Erben des Käfers nicht anders. Nur dass der lange nicht so schnell ist und auch nicht so sympathisch.

Datenblatt: Memminger Käfer Cabrio 2.7

Motor und Antrieb: Vierzylinder-Boxer-Benziner
Hubraum: 2715 ccm
Max. Leistung: ca. 125 kW/170 PS bei 5200 U/min
Max. Drehmoment: 270 Nm bei 3000 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb
Getriebe: Viergang-Schaltgetriebe
Maße und Gewichte
Länge: 4140 mm
Breite: 1585 mm
Höhe: 1460 mm
Radstand: 2524 mm
Leergewicht: 930 kg
Zuladung: k.A.
Kofferraumvolumen: 310 Liter
Fahrdaten
Höchstgeschwindigkeit: ca. 210 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 6 s
Durchschnittsverbrauch: ca. 8,0 Liter/100 km
Reichweite: k.A.
CO2-Emission: k.A.
Kraftstoff: Super
Schadstoffklasse: k.A.
Energieeffizienzklasse: k.A.
Kosten
Basispreis des Memminger Käfer Cabrio: 95 000 Euro
Grundpreis des Memminger Käfer Cabrio 2.7: ca. 150 000 Euro
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: k.A.
Wichtige Serienausstattung
Sicherheit: Sicherheitsgurte, Kopfstützen, ABS
Komfort: Klimaanlage, Servolenkung, Sitzheizung

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke

(dpa)
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