Martialische Dynamo-Fans: Was läuft schief in Dresden?

Dresden – Randale schon vor dem Stadion, 2000 Fans in Kriegsmontur, Dynamo-Spieler, die sich noch mit militärischem Gruß bei ihren Anhängern bedanken.

Die Bilder von den Vorkommnissen beim Zweitliga-Spiel in Karlsruhe haben nicht nur den Deutschen Fußball-Bund (DFB) alarmiert, sondern in der ganzen Bundesliga-Szene für Kopfschütteln und die Frage gesorgt: Was läuft falsch bei Dynamo Dresden?

Vor dem Saisonfinale am Sonntag gegen Arminia Bielefeld belegen die Sachsen einen beachtlichen fünften Tabellenplatz. Doch über die positive sportliche Bilanz des Traditionsvereins spricht in Dresden derzeit niemand. Denn nach dem martialischen Auftreten der Anhängerschaft in Dresden deutet vieles darauf hin, dass der DFB-Kontrollausschuss zu einer harten Strafe greifen wird.

Nach Lage der Dinge kann das allerdings wieder nur eine Kollektivstrafe sein: ein «Geisterspiel» oder ein Punktabzug. Denn auch in Karlsruhe hat die Polizei keine einzige Personalie festgestellt. Bei Dynamo halten es manche daher auch für wohlfeile Rhetorik, wenn Politiker und Verbandsvertreter ein «hartes Durchgreifen» fordern, aber jedwede Konkretisierung vermeiden, wen man für welches Delikt «hinter Schloss und Riegel» setzen solle, wie das Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) getan hatte.

Fanvertreter aus Dresden stellen dann auch die Frage in den Raum, ob die Macht der Bilder zum Eindruck geführt habe, dass am Sonntag «eine neue Qualität» der Gewalt erreicht sei. Die Zahl von 15 verletzten Polizisten und 21 verletzten Ordnern wurde jedenfalls – so bedenklich das ist – bei einigen Spielen anderer Vereine deutlich übertroffen.

Offiziell will sich der Verein derzeit nicht äußern, für Montag ist allerdings eine Pressekonferenz mit den Geschäftsführern Ralf Minge und Michael Born angekündigt, in der man erste Maßnahmen verkünden will – aber wohl auch Politik und Verbände darum bitten möchte, konkret aufzuzeigen, was Dynamo in der Vergangenheit versäumt haben soll. Zudem bemüht sich der Zweitligist nach eigenen Angaben um ein «zeitnahes persönliches Treffen» mit Verantwortlichen der Deutschen Fußball Liga (DFL) und des DFB, der sich an diesem Freitag auf seiner Präsidiumssitzung mit den Vorfällen von Karlsruhe beschäftigt.

Bei 1953 tv, einer von Radio Dresden organisierten Talkshow, äußerte sich Sportgeschäftsführer Minge allerdings bereits zu den Vorkommnissen. Es sei «wirklich schade, dass eine klasse Zweitligasaison diesen faden Beigeschmack erhält». Minge verurteilte auch das von den Fans gewählte Motto «Krieg dem DFB», als dessen optische Untermalung offenbar der Military-Look der Fans gemeint war. «Wir ringen um unseren Ruf und waren auf einem guten Weg, da ist dieser Auftritt absolut kontraproduktiv», sagte der Ex-Profi.

Zumal der martialisch anmutende Fanmarsch bestens zum Klischeebild vom Dresdener Fußballschläger passt, das man eigentlich für überwunden gehalten hatte. Denn in Wirklichkeit hat sich bei Dynamo in den vergangenen Jahren vieles zum Positiven verändert. Bei Heimspielen kommt es seit dem Stadionumbau 2009 nicht mehr zu Ausschreitungen. Und noch Anfang April lobten sich die Stuttgarter Polizei und das Dynamo-Publikum wechselseitig, weil auch 6000 Gästefans keinerlei Probleme machten und deren Fanmarsch ohne Zwischenfälle verlief.

Auch in Karlsruhe zeigte sich wieder die Janusköpfigkeit der Szene. Aus Respekt vor den Toten zogen die Dynamofans schweigend an einem Friedhof vorbei, die Trommeln setzten erst danach wieder ein. Doch später plünderte man einen Getränkestand in der Gästekurve.

«Dynamo hat eine der größten und vitalsten Fanszenen in Deutschland», sagte Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle der Fanprojekte in Frankfurt/Main. «Da kann es immer mal zu unschönen Vorfällen kommen. Aber das verbreitete Klischee, die Dynamo-Fans seien in der Mehrzahl gewalttätig und rechts, trifft schon lange nicht mehr zu.»

Noch vor 20 Jahren bewegten sich Neonazis mit einschlägigen Symbolen allerdings wie der Fisch im Wasser durch die Dresdener Fankurve. Und selbst noch vor zehn Jahren war es gang und gäbe, dass dunkelhäutige Spieler rassistisch beleidigt wurden. Aber so etwas ist seit Jahren nicht mehr vorgekommen.

Die Ultra-Szene legt Wert darauf, dass sowohl linke als auch weit rechts stehende Fans bei ihr mitmachen. Politische Meinungsäußerungen werden aber im Stadion nicht geduldet. Allerdings wurden bei den Ausschreitungen gegen Flüchtlinge im Dresdner Umland immer wieder Personen identifiziert, die der Dynamo-Hooliganszene zuzurechnen sind. Doch auch antirassistische Fangruppen wie «1953 international» sind bei jedem Spiel, einige Fans tragen ein Shirt mit der Aufschrift «love Dynamo, hateracism».

Auch der Verein, der jahrelang eine Vogel-Strauß-Politik fuhr, hat sich zuletzt zunehmend deutlich positioniert. Im vergangen Jahr vergab Dynamo auf Initiative einer Fangruppe einen mit 5000 Euro dotierten Preis an eine Initiative zur Unterstützung geflüchteter Frauen. Allerdings scheint die aktive Fanszene immer dann, wenn es ein paar Monate ruhig war, das Bedürfnis zu haben, über die Stränge zu schlagen.

Fotocredits: Uwe Anspach
(dpa)

(dpa)
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