Mailänder Modewoche: Armani bietet spektakuläre im Hangar
Mailand – Mailand Flughafen Linate, am späten Donnerstagabend: Der Flug «EA 2019» wartet am Ausgang A17 auf seine Gäste. Und es sind mehr als 2000, die eingecheckt haben. Ihr Reiseziel: die wohl spektakulärste Fashion Show, die Mailand je erlebt hat.
Giorgio Armani präsentierte seine Emporio Armani-Kollektion Frühjahr/Sommer 2019 in einem Hangar auf dem Flughafen. Die Gäste mussten auf dem Weg zur Show den Parcours eines jeden Flugreisenden bewältigen: Einchecken, Sicherheitskontrolle – und erst dann ging es in den Hangar. Und im Anschluss gab auch noch
Robbie Williams ein Konzert. Schon Tage zuvor war das Ereignis im Stadtbild omnipräsent. Viele Straßenbahnen trugen einen «Emporio Armani Boarding»-Aufdruck. Es war auch eine Demonstration der Stärke: Mailand, das bin ich! Und ich bin groß!
Doch wo sind eigentlich die Designer, die einmal in Armanis Fußstapfen treten könnten? Das Nachwuchsproblem der Mailänder Modeszene ist fast schon chronisch. Die letzten, die es aus eigener Kraft zu Weltruhm schafften waren Dolce & Gabbana. Labelgründung: 1985. Und danach? Immer wieder vielversprechende Talente, die nach einem spektakulären Start keine Höhe mehr gewannen, einige stürzten sogar völlig ab. Zuletzt erwischte es die vielleicht begabtesten ihrer Generation: Das Duo Aquilano. Rimondi hat die Arbeit eingestellt. Comeback ungewiss.
«Es fehlt hier an allem, an der Unterstützung durch die Industrie, die Modeinstitutionen, den Handel», geht Angelo Flaccavento mit den Strukturen seiner Heimat hart ins Gericht. Er zählt zu den international renommiertesten Modekritikern, schreibt für die Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» und das Online-Portal «The Business of Fashion».
Auch Angela Picozzi sieht in externen Faktoren einen Hauptgrund für das Dilemma. «Die großen Modekonzerne machen mit ihren riesigen Marketingbudgets die kleinen Designer platt. Denn der Kunde fällt seine Kaufentscheidung heute nicht über die Qualität, sondern nach der Präsenz eines Labels in den Medien und sozialen Netzwerken. Es geht um Status», erklärt die Inhaberin von Castor, einer bei Mantua ansässigen Produktionsfirma, die immer wieder aufstrebende Talente fördert.
Die Pleite droht praktisch nach jeder Saison. Viele Designer können sich eine Show schlichtweg nicht leisten. Die Entwicklung ist insofern dramatisch, als dass die Modedesigner immer zur kulturellen Identität Italiens zählten: Armani! Versace! Ferré! Missoni! Doch bei vielen der knapp 60 Namen auf dem Kalender der aktuellen Fashion Week fragen sich selbst Branchenkenner: Bitte, wer?
Dass eine Geldzufuhr von außen aber noch kein Erfolgsgarant sein muss, hat Alessandro dell` Acqua erlebt. Er galt Ende der 1990er als der kommende Großdesigner Italiens. Dann verkaufte er die Mehrheit an seinem Unternehmen, überwarf sich mit den neuen Eigentümern, schied im Streit aus – und verlor dabei die Namensrechte. Seit 2010 entwirft er unter dem Namen No.21. Und das ist im Vergleich zu anderen sogar noch eine Erfolgsgeschichte.
«Der Designer als Autor, der seine eigene Handschrift ausarbeitet, ist heute nicht mehr gefragt. Es geht den Investoren nur um den schnellen kommerziellen Erfolg», meint Modekritiker Flaccavento. Angela Picozzi sieht aber auch bei den Kreativen selbst ein Problem: «Der schnelle Ruhm steigt vielen Designern zu Kopf. Sie wollen nicht einsehen, dass sie sich nach dem ersten Hype doppelt anstrengen müssen, um dauerhaft erfolgreich zu sein.»
Und so ist seit vielen Jahren Miuccia Prada die große Lichtgestalt der Mailänder Modeszene. Warum, das unterstrich sie in ihrer Show am Donnerstagabend in den Räumen ihres Kunstkomplexes, der Fondazione Prada. Es genügt ein Blick auf das Finalbild, das alle Models hintereinander aufreiht.
Die Designerin verstand es wieder einmal eine durchgehende Geschichte zu erzählen, Spannung aufzubauen und Höhepunkte zu setzen. Ihre Mode ist nie eindimensional. Hinter jeder braven Fassade könnte immer ein Abgrund lauern. Oder eine versteckte Botschaft. Auf jeden Fall strahlt ihre neue Kollektion ganz viel Optimismus aus. Und davon braucht Mailand im Moment eine ziemlich große Dosis.
Fotocredits: Luca Bruno,Luca Bruno,Alberto Lingria
(dpa)