Ludwig/Walkenhorst überraschen sich selbst: «Unheimlich»
Rio de Janeiro – Laura Ludwig und Kira Walkenhorst haben sich mit ihrem Höhenflug in Rio de Janeiro selbst überrascht.
«Ich dachte nicht, dass wir bei Olympischen Spielen so geil spielen können», sagte Beachvolleyballerin Ludwig, die mit ihrer Partnerin die erste Olympia-Medaille für ein deutsches Frauenteam gewonnen hat. «Kira hat das erste Mal bei Olympia gespielt, das muss man erst mal so hinkriegen», bemerkte die Hamburger Abwehrspielerin und bekam «ein breites Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht».
Trainer Jürgen Wagner dagegen hat schon vor vier Jahren genau jene magischen Momente an der Copacabana geplant. «Ich freue mich sehr, was die Mädchen umgesetzt haben, dass sie diese vier Jahre Arbeit mit immer mehr Elementen so auf den Punkt gebracht haben», sagte der 60-Jährige in Brasilien.
Der Coach gab vor und bei seiner vierten Olympia-Teilnahme die Ruhe und die Gewissheit weiter, trotz einiger Rückschläge immer auf dem richtigen Weg zu sein: «Es ist natürlich ein Riesenunterschied, ob man es das erste oder vierte Mal macht. Und es ist auch ein Unterschied, ob man schon mal eine Medaille geholt hat oder nicht.»
Nachdem Wagner vor vier Jahren in London die deutschen Männer Julius Brink und Jonas Reckermann zum Olympiasieg geführt hatte, nahm er die schon erfolgreiche Ludwig und den damals 21-jährigen «Frischling» Walkenhorst unter seine Fittiche. Schon beim ersten Treffen in seinem Haus in Moers machte er den beiden Frauen deutlich, dass er von ihnen Außergewöhnliches abverlangen wird.
Wagners strategischer Plan ging genau im Olympia-Jahr auf. «Ich habe zu Jürgen gesagt, es ist echt unheimlich, dass du alles so weißt», verriet Laura Ludwig, nachdem sie in Rio mit einer erstaunlich abgebrühten Partnerin auch die besten Brasilianerinnen, Larissa und Talita, bezwungen hatte und ins Finale eingezogen war.
Ludwig und Walkenhorst mussten nicht nur im Spiel vieles umstellen. Auch an der Psyche wurde gearbeitet. «Wir haben zuletzt mehrmals das Favorit-sein thematisiert. Frauen tun sich schon schwer, diese Favoritenrolle gerne zu haben», verriet der Trainer. In diesem Jahr nahmen die beiden gebürtigen Berlinerinnen diese Rolle an.
Sie gewannen vier Turniere auf der Welttour und die Europameisterschaft. «Sie haben so viele Sachen in petto, sie müssen das nur anwenden», ergänzte Anett Szigeti. Die Sportpsychologin gehört wie Balltrainerin Helke Claasen zum engen Kreis hinter dem Spielerinnen-Duo. «Das hier ist ein brutales Team, das habe ich so noch nicht erlebt», erklärte Wagner.
«Schritt für Schritt» erarbeiteten sich Ludwig/Walkenhorst ein immer höheres Level. Auch Elemente aus dem Männer-Volleyball wurden ins Training übernommen – Schlaghärte, Aufschläge und Technik. «Jetzt zahlt es sich aus», sagte die 30 Jahre alte Ludwig, die mit ihrer früheren Partnerin Sara Goller schon viermal deutsche Meisterin und zweimal Europameisterin war. Mit Walkenhorst kamen zwei nationale Titel und zwei EM-Erfolge dazu. Als erstes deutsches Frauen-Team gewannen Ludwig/Walkenhorst 2014 auf der Welttour einen Grand Slam.
Danach begann eine Leidenszeit, die das Projekt Rio 2016 ernsthaft gefährdet hat. Kira Walkenhorst erkrankte am Pfeifferschen Drüsenfieber, verletzte sich beim Comeback auch noch am Knie. Fast ein Jahr spielte sie international kein Turnier – eine Geduldsprobe für die Blockspielerin, aber auch für ihre Partnerin. «Wir haben uns noch mehr vertraut. Und wir mussten immer wieder beweisen, dass wir es durchziehen können», sagte Ludwig. Bis ins olympische Finale.
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(dpa)