Lölling feiert Silber-Sause – «Megawichtig» für Skeleton
Pyeongchang – Die innige Umarmung mit ihren Eltern rührte Jacqueline Lölling zu Tränen, beim Rappen und Tanzen bis in den frühen Morgenstunden fiel der ganze Olympia-Druck von der Skeleton-Queen ab.
Auch dabei zeigte die sonst bäuchlings mit über 100 Stundenkilometern den Eiskanal hinunter rasende Silbermedaillen-Gewinnerin eine überzeugende Performance. Nur etwas besser auf der Bühne im Deutschen Haus waren am Sonntagfrüh lediglich ihre Tanzpartner Tobias Arlt, viermaliger Rodel-Olympiasieger, und Freestyle-Bundestrainer Michael Dammert. «Jetzt kann man endlich feiern und alles rauslassen. Ich hatte meine Familie nur kurz aus der Ferne an der Bahn gesehen, aber jetzt war es genau zum richtigen Zeitpunkt», sagte Lölling schluchzend.
Die 23-Jährige von der RSG Hochsauerland konnte die ausgelassene Party nach dem wohl spannendsten Rennen mit vier Läufen in der erst 16-jährigen Olympia-Geschichte gut gebrauchen. «Das war bis zur letzten Sekunde Nervenkrieg», meinte Lölling. Nach vier Läufen lag die Weltmeisterin aus Brachbach 0,45 Sekunden hinter der Britin Lizzy Yarnold, die ihren Olympia-Coup von Sotschi 2014 wiederholte, und vor deren Teamkollegin Laura Deas. Die vor dem Final-Durchgang führende Österreicherin Janine Flock fiel noch auf Platz vier zurück und wurde von Lölling spontan getröstet. Ex-Weltmeisterin Tina Hermann aus Königssee und Anna Fernstädt komplettierten mit den Plätzen fünf und sechs das starke deutsche Abschneiden.
«Das war für megawichtig für unsere Sportart. Nach Sotschi haben wir an allen Schrauben und Rädern gedreht, um das zu schaffen. Aber ich habe das nicht allein gestemmt, da steht ein Riesenteam dahinter», sagte Lölling. Auch der Vorstandsvorsitzende Thomas Schwab vom Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) atmete auf. «Es freut mich für das Trainerteam um Jens Müller. Wäre diese starke Teamleistung von den Mädels hier ausgeblieben, hätten wir die Förderung für den nächsten Olympia-Zyklus wohl aus eigenen Mitteln bezahlen müssen», sagte Schwab. Daher sprach BSD-Präsident Andreas Trautvetter vom «wichtigsten Rennen des Verbandes».
Cheftrainer Jens Müller, den ein halbes Jahr nach den Spielen von Sotschi ein schwerer Herzinfarkt ereilte, genoss die Silber-Sause etwas ruhiger. Inmitten der Party analysierte der Rodel-Olympiasieger von 1988 schon wieder: «Diese Medaille wollten wir unbedingt erreichen, wir hätten im Damen-Rennen aber auch für zwei Medaillen Potenzial gehabt. Jacqua hat eine gute Leistung gebracht, keine Frage. Wenn man aber die Läufe anschaut, waren viele Fehler drin, da wäre auch die Möglichkeit Richtung Olympiasieg gewesen.»
Er ist für die Bundespolizistin das nächste Ziel. «Ich fahre auf jeden Fall noch weiter», sagte sie. Das Olympia-Gold fehlt noch in ihrer Sammlung. Lölling war nach vier Siegen in acht Weltcuprennen in dieser Saison und dem Gewinn des Gesamt-Weltcups die Topfavoritin. Schon bei den Olympischen Jugendspielen 2012 stand sie ganz oben auf dem Podest. Danach qualifizierte sie sich als Junioren-Weltmeisterin für die WM 2015 und fuhr auf ihrer Heimbahn in Winterberg prompt auf Rang zwei. Zwei Jahre später war sie Welt- und Europameisterin.
Dabei stand ihre Karriere sogar auf der Kippe. Denn nach den schwachen Startleistungen in Sotschi durften nur die Athleten im Weltcup mitfahren, die die vom BSD gesetzte Startnorm knackten. Da sie alles dominierte, wurde bei Lölling eine Ausnahme gemacht. Erst in diesem Winter schaffte sie die geforderte Norm. «Es gibt viele Faktoren, die dazu führen, dass man bestimmte Rückstände aufholt», sagte Müller. «Ich glaube, wir müssen für die Zukunft an der einen oder anderen Stelle im Team eine andere Bewertung von grundsätzlichen Voraussetzungen einführen.»
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(dpa)