Kurze Winterpause schafft Probleme
München – Die Fußball-WM 2018 sorgt für eine ungewöhnlich kurze Winterpause der Bundesliga – und das bereitet vielfältige Probleme. Kurzer Urlaub, ganz kurze Vorbereitung, Trainingslager ja oder nein.
Neue Trainer können kaum einen nennenswerten Neustart auslösen, die Integration möglicher Winterzugänge gestaltet sich noch schwieriger und riskanter als in normalen Spielzeiten. Und sogar auf die Titelmission der deutschen Nationalmannschaft in Russland könnte die kurze Verschnaufpause späte Auswirkungen haben, die jetzt nur zu erahnen sind. Ist Winterpause also überhaupt der richtige Begriff?
Nein, meint Jupp Heynckes. «Ich habe gelesen, im Trainingslager in Katar würde der FC Bayern eine riesige Vorbereitung machen. Aber was haben wir denn für eine Vorbereitung?», sagt der Bayern-Coach. Am 2. Januar fliegt der Bayern-Tross nach Doha, schon fünf Tage später ist der Tabellenführer zurück in München. «Die Bundesliga beginnt wegen der Weltmeisterschaft wieder so früh, dass das, was man in früheren Jahren Vorbereitungszeit genannt hat, vor dieser Rückrunde nicht mehr vorhanden ist», urteilt Heynckes. Sportvorstand Rouven Schröder von Mainz 05 mag in dieser Saison darum nicht von einer Winterpause sprechen. Er nennt die Unterbrechung «verlängerte Weihnachtspause».
Gerade einmal 22 spielfreie Tage liegen zwischen dem Pokal-Kracher FC Bayern gegen Borussia Dortmund, der am Mittwochabend das Spieljahr 2017 beendet, und dem Auftaktspiel der Rückrunde am 12. Januar, wenn Bayer Leverkusen den Herbstmeister FC Bayern empfängt. Viel Zeit zum Durchpusten bleibt den Profis, Trainern und Betreuern da nicht. «Insgesamt bedeutet das eine kürzere Regeneration und auch eine kürzere freie Zeit», sagt Leipzig-Coach Ralph Hasenhüttl.
Bei Hannover 96 und dem FC Augsburg müssen die Spieler sogar vor Silvester schon wieder zum Dienst antreten. Die meisten Vereine nehmen am 1. oder 2. Januar das Training auf. Die kurze Zeitspanne bis zum ersten Punktspiel führt auch dazu, dass nur 10 der 18 Bundesligisten ein Trainingslager beziehen. Weiter reisen nur die Bayern, die sich wegen vertraglicher Verpflichtungen erneut in Katar vorbereiten. Die anderen neun Vereine fliegen in spanische Gefilde.
Pro und Contra mussten die Vereine abwägen. «Wir sehen es als großen Vorteil an, wenn die Mannschaft ein paar Tage am Stück zusammen ist, um sich wieder einzuschwören auf die Rückrunde. Und die klimatischen Bedingungen sind auf Teneriffa einfach top», begründet Manager Stefan Reuter die Reiseentscheidung des FC Augsburg.
Daheim bleiben unter anderem 1899 Hoffenheim, Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und auch RB Leipzig. «Es geht einfach darum, dass ich zwei Trainingstage verliere, die mir wehtun, wenn ich im Flieger sitze», erläutert Hasenhüttl. Der Coach verweist auf optimale Bedingungen auf dem Trainingsgelände in Leipzig: «Es fehlt an nichts, egal wie das Wetter ist.» Einige Vereine haben trotzdem Notfallpläne erstellt, falls sie doch noch kurzfristig vor Frost und Schnee in den wärmeren Süden Europas entfliehen wollen.
Spieler, die in der Hinrunde länger verletzt ausfielen, müssen in kürzerer Zeit herangeführt werden. Stark belasteten Spitzenspielern bleibt weniger Zeit, um vom Stress der Spiele, den Reisen und dem Medienrummel abzuschalten. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass eine Verknappung der Winterpause zu mehr Trainingsverletzungen im Frühjahr führen kann. «Für die Spieler, die extrem belastet worden sind, ist es eine willkommene Pause. Aber auch für die, die in der Hinrunde lange verletzt waren, wäre eine längere Pause von Nutzen», sagt Heynckes. Die Trainer seien darum diesmal besonders gefordert, «eine adäquate Trainingssteuerung zu finden», sagt der 72-Jährige.
Wenn Pep Guardiola etwas in England vermisst, dann die deutsche Winterpause. Diese hatte er in den drei Jahren beim FC Bayern lieb gewonnen. «Sie ist gut für den Kopf, gut für die Beine. Es ist gut, noch mal trainieren zu können. Ich habe mich immer gefreut, im Winter noch mal eine Pause zu haben», sagte der Katalane seinerzeit.
Bei Manchester City gibt es für Guardiola und seine Profis keine Winterferien. Die Premier League spielt durch. «Jetzt kommen die schweren Monate auf uns zu. Gerade Ende des Jahres, wenn alle Urlaubsfotos aus Dubai posten und wir einen Tag nach Weihnachten und an Silvester spielen werden, wird es besonders schwer, gerade für den Kopf», sagt Nationalspieler Ilkay Gündogan von Manchester City.
Auch Weltmeister wie Toni Kroos (Real Madrid) in Spanien, Sami Khedira (Juventus Turin) in Italien oder Julian Draxler (Paris Saint-Germain) in Frankreich haben weniger Pause als ihre Kollegen in der Bundesliga. «Die Auswirkungen werden wir dann bei der WM sehen», glaubt Kroos: «England wurde häufig bei den Turnieren im Sommer dafür bestraft, dass komplett durchgespielt wird.» Joachim Löw hat als Bundestrainer bei WM- und EM-Turnieren oft von der Winterpause in Deutschland profitiert. «Es war für uns schon ein Vorteil, dass die Spieler nach dem letzten Spiel im Dezember 10 Tage Urlaub hatten und danach 14 Tage eine Grundvorbereitung im Januar», sagt Löw.
Eine längere Liga-Unterbrechung ist auch nach einem Trainerwechsel wertvoll. Peter Stöger bleibt in Dortmund kaum Zeit, um im knapp einwöchigen Trainingscamp in Marbella nachhaltige Akzente zu setzen. «Man kann Defizite nicht so gut aufarbeiten wie dann, wenn man eine längere Pause hat», weiß FCA-Manager Reuter aus eigener Erfahrung. Im Dezember 2016 übernahm in Augsburg Manuel Baum den Trainerposten.
Auswirkungen könnte die verkürzte Spielpause auch auf Transfers im Januar haben. «Die Vereine, die Probleme oder Langzeitverletzte haben, werden versuchen, auf die Situation zu reagieren. Es ist aber in der Winterpause nie einfach, Neuzugänge zu integrieren», meint Reuter. Jetzt könnten diese erst zum Team stoßen, wenn der Ball in der Liga längst wieder rollt. Wintereinkäufe müssen darum noch genauer abgewogen werden, meint der Mainzer Sportchef Schröder: «Denn wir sind kein Verein, der sich Nachlässigkeiten leisten kann.»
In der kommenden turnierlosen Saison pausiert die Bundesliga wieder einen Monat lang. Das freut nicht nur FCA-Macher Reuter, der Fan «einer möglichst langen Winterpause» ist. Seine Wunschlösung wäre ohnehin eine revolutionäre: «In den schönsten Monaten des Jahres spielen wir bei uns in Deutschland leider keinen Bundesliga-Fußball. Aber vielleicht wird irgendwann die Saison auf das Jahr umgestellt.»
Fotocredits: Deniz Calagan
(dpa)