Kein deutscher Club im Europacup-Halbfinale
Frankfurt/Main – Seit Beginn dieses Jahres vergeht kein Monat, ohne dass die Deutsche Fußball Liga (DFL) wieder eine Rekordzahl verkündet.
Der Umsatz der 18 Bundesliga-Clubs hat zum ersten Mal die Drei-Milliarden-Euro-Marke übertroffen. Bei den rund 500 Millionen Fußball-Fans in China ist die Bundesliga populärer als jede andere Liga der Welt. Der wirtschaftliche Erfolg der Bundesliga steht jedoch in einem Widerspruch zu ihrer sportlichen Entwicklung. Dort sehen die Kernzahlen nach dem Ausscheiden von Bayern München, Borussia Dortmund und Schalke 04 in dieser Europapokal-Woche anders aus.
Zum ersten Mal seit 2005 steht kein deutscher Club mehr im Halbfinale eines internationalen Wettbewerbs. In der Fünfjahreswertung des europäischen Verbands UEFA holten die vier Champions- und drei Europa-League-Teilnehmer aus Deutschland in dieser Saison so wenige Punkte wie seit 2012 nicht mehr. In den vergangenen 20 Jahren gewannen allein spanische Clubs insgesamt 17 Europacup-Titel, deutsche Vereine dank der beiden Champions-League-Erfolge von Bayern München (2001, 2013) aber nur zwei. Ist die Fußball-Bundesliga also längst nicht so gut, wie sie selbst immer vorgibt?
Joachim Löw behauptet das schon lange. Der Bundestrainer glaubt unabhängig vom WM-Triumph 2014, dass der deutsche Fußball sich und seine Möglichkeiten gern überschätzt. «Wer glaubt, wir hätten die größten Talente, der muss nach Spanien gehen», sagte er.
Auch der DFL kann man nicht vorwerfen, die sportlichen Defizite ihres Premium-Produkts auszublenden. «In der Europa League stand zum letzten Mal vor sieben Jahren ein deutscher Club im Halbfinale. Das ist nicht gerade berauschend», kritisierte Geschäftsführer Christian Seifert. Die Bundesliga liegt zwar in der UEFA-Fünfjahreswertung weiter auf Platz zwei und braucht deshalb um keinen ihrer internationalen Startplätze für die nächste Saison zu fürchten. Seifert warnt aber dennoch: «Im Ausland wird eine Liga in erster Linie wahrgenommen über das internationale Abschneiden ihrer Clubs.»
Schaut man auf die Umsatzzahlen europäischer Spitzenclubs, kann das schwache Abschneiden der deutschen Vereine nicht einmal überraschen. Zu den Top 20 gehören laut einer Studie der Wirtschaftsprüfer von Deloitte nur drei Vertreter aus der Bundesliga: Bayern München (5.), Borussia Dortmund (11.) und der FC Schalke 04 (13.). Auch in dieser Rangliste ganz vorn: Real Madrid und der FC Barcelona. Ginge es allein ums Geld, müssten aber auch jedes Jahr drei Clubs aus der englischen Premier League in einem europäischen Halbfinale stehen.
Ein Problem der Bundesliga liegt deshalb auch in ihrem teils fehlenden und teils nur äußerst schwachen Wettbewerb. Während sich Real Madrid, Atlético Madrid und der FC Barcelona in der Primera Division und auch in der Champions League Jahr für Jahr gegenseitig antreiben, kann der FC Bayern München in Deutschland in der Regel schon vor Weihnachten seine nächste Meisterfeier planen.
Noch gravierender auf die Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga wirkt sich jedoch aus, was seit Jahren um die Plätze fünf und sechs herum passiert. «Acht Punkte zwischen Europa League und Abstiegsplatz, das gibt es normalerweise in der dritten und vierten Liga. Man kann das als Stärke oder Schwäche der Liga auslegen. Ich finde, das ist eine Schwäche», sagte Nationalstürmer Mario Gomez in einem «SZ»-Interview.
Immer wieder haben es in den vergangenen Jahren Außenseiter wie der SC Freiburg, FC Augsburg oder Mainz 05 in die Europa League geschafft. Die konnten dort zwar viel für das eigene Prestige tun – aber nur wenig für die deutsche Bilanz in der Fünfjahreswertung.
Die aktuelle Bundesliga-Tabelle macht auch nur wenig Hoffnung auf eine erfolgreichere nächste Europa-League-Saison. Hertha BSC hat zuletzt acht Auswärtsspiele in Serie verloren, ist aber immer noch Fünfter. Nur fünf Punkte dahinter steht die Frankfurter Eintracht, die kein einziges ihrer vergangenen zehn Spiele gewann.
Die Bundesliga hat also ein Qualitätsproblem in der Breite und nicht in der Spitze. Was man dagegen tun kann, lässt aber auch die Protagonisten ratlos zurück. «Das hängt mit der Struktur der Liga zusammen. Das Segment unterhalb der Spitze ist wahnsinnig umkämpft», sagt Hertha-Manager Michael Preetz. «Ich glaube, das wird in Zukunft so bleiben. Für ganz vorne müssen sich alle etwas einfallen lassen.»
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(dpa)