Jobverlust – Gekündigt wegen Frikadelle
Eine Frikadelle vom Büffet gemopst, zwei Pfandbons einngesteckt oder 1,36 Euro zu wenig in der Kasse – Seit einiger Zeit häufen sich die Meldungen über Kündigungen wegen Lappalien. Das hat nicht zuletzt mit der Funktionslogik des Boulevardjournalismus zu tun.
Beim neuesten Fall handelt es sich um eine Sekretärin, die sich nach einer Geschäftsbesprechung eine übrig gebliebene Frikadelle vom Büffet gegönnt hatte und dafür prompt entlassen wurde.
Der Frikadellenfall – Die Funktionalisierung einer Meldung
Dass fadenscheinige Verweise auf den Abschreckungseffekt zur Rechtfertigung der eigenen Reaktion von Arbeitgeberseite ins Leere laufen, dürfte genauso klar sein wie die Tatsache, dass hier der geringste Anknüpfungspunkt genutzt wurde, um einen längst unliebsam gewordenen Mitarbeiter in die Wüste schicken zu können. Juristisch wird der jüngste Fall noch zu klären sein, moralisch ist er es längst, dafür hat die Boulevardpresse gesorgt. An dieser Stelle soll es auch gar nicht um die Geschehnisse selbst gehen, sondern um ihre Funktionalisierung in den Medien. Für die Boulevardpresse sind derlei „Meldungen“ ein gefundenes Fressen. Geradezu idealtypisch lassen sich an ihnen drei Funktionsprinzipien dieser Art des Journalismus ablesen.
Kündigung: Eine Lappalie als Aufreger – die perfekte Schlagzeile
Erstens handelt es sich um einen simplen Sachverhalt, der klar in ein gut-vs.-böse-Schema eingeordnet werden kann und keinerlei Hintergrundwissen notwendig macht. Auf der einen Seite böswillige Menschenschinder-Chefs, die jede Schwäche ihrer verängstigten Untergebenen ausnutzen, um sie ins soziale Elend abzuschieben. Auf der anderen Seite der hilflose Angestellte, von Grund auf ehrlich, zeit Jahrzehnten der Firma treu ergeben und nun der Willkür hilflos ausgeliefert.
Zweitens berührt das Thema eine Stimmung, die sowieso irgendwie in der Luft liegt. LIDL Überwachung, Manager-Boni, soziale Kälte. Alles scheint irgendwie zusammenzupassen, der Angestellte wird immer mehr geknechtet, die Führungsriege schafft sich die eigenen Spielregeln. Aus diesem diffusen Hintergrundrauschen erhält dann der Einzelfall zusätzlichen Auftrieb.
Drittens ein klarer Apell an die Affekte des Leser. Wütend muß man ja werden, bei derlei schreiender Ungerechtigkeit.
In seinem simplen schwarz-weiss-Schema ist eine solche Berichterstattung nur mit dem Stammtischbild des Politikers vergleichbar. „Die da oben“ vs „Der kleine Mann“. Ein solcher Journalismus, der sich scheinheilig zum Anwalt der kleinen Leute stilisiert, ist so durchschaubar wie er leider auch erfolgreich ist.