Jaguar E-Type Zero im Test: Retro-Renner auf Zeitreise

Berlin (dpa-infocom) – Lust auf einen Oldtimer und ein Elektroauto? Da kann vielleicht Tim Hannig helfen, Chef der Klassik-Abteilung bei Jaguar und Land Rover. Er hat jetzt den vielleicht schrägsten Oldtimer und eines der speziellsten Elektroautos aufgelegt: Den Jaguar e-Type Zero.

Für Preise zwischen 70.000 Euro für die Umrüstung eines Kundenfahrzeugs bis zu 300.000 Euro für einen im Werk restaurierten Klassiker macht seine Mannschaft binnen 80 Stunden aus dem Oldtimer ein zukunftsfestes Elektroauto.

Außen ist der Neue (fast) ganz der Alte

Von außen sieht man dem e-Type den Zeitensprung erst auf den zweiten Blick an. Denn die Karosserie ist bis ins letzte Detail original. Nur fehlt hinten der Auspuff und vorn funkeln aus der langen Haube energiesparende LED-Scheinwerfer. Unter dem Blech dagegen ist nicht mehr viel, wie es einmal war. Unter dem Tankdeckel verbirgt sich eine Ladebuchse und vorn im Bug hat Hannigs Mannschaft ein neues Herz installiert.

Wo früher mal ein 3,8 Liter großer Sechszylinder mit zuletzt 195 kW/265 PS montiert war und zum Ende der Karriere des von 1961 bis 1974 rund 70.000 mal gebauten Traumwagens sogar ein V12-Motor knurrte, surrt jetzt die E-Maschine aus dem Jaguar i-Pace und darüber ist das Akkupaket aus dem Range Rover Plug-In montiert.

Leistung auf dem Niveau des Originals

Mit 190 kW/258 PS liegt die Leistung des e-Type Zero auf dem Niveau des Originals. Mit weniger als sieben Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt er sogar ein bisschen schneller. Und dass bei 180 km/h mit Rücksicht auf die Reichweite von rund 300 Kilometern schon wieder Schluss ist, wird keinen ernsthaft stören.

Auch wenn der echte e-Type damals 242 km/h geschafft hat, würde das heute niemand mehr ausreizen – weil das Auto schlicht zu wertvoll ist für so ein hohes Risiko.

Mit den Emissionen gehen auch die Emotionen verloren

Doch so ähnlich sich die Daten in der Theorie sind, so anders fühlt sich der elektrische e-Type in der Praxis an – und wird dabei keiner Kategorie so richtig gerecht: Für einen Oldtimer fehlen ihm nicht nur die Emissionen, sondern auch die Emotionen. Denn auch die ebenso spontane wie nahtlose Beschleunigung kann nicht über die fast schmerzhafte Stille hinwegtäuschen.

Und altes Leder oder hundertfach poliertes Holz riecht nur halb so gut, wenn sich nicht auch ein bisschen verbranntes Öl daruntermischt. Andererseits fährt der e-Type aber auch nicht wie Tesla & Co. Dafür ist das Auto nicht nur zu leicht und zu fragil, sondern ihm fehlen auch alle Assistenzsysteme.

Karbon statt Wurzelholz

Probleme mit dem Zeitgefühl bekommt man auch im Innenraum. Denn auf der einen Seite sieht der e-Type so aus, wie er immer war: Man sitzt auf viel zu kleinen Sesseln, zwängt seine Füße in viel zu enge Tunnel, quetscht seinen Körper durch viel zu schmale Türen und greift in ein Lenkrad, das zu groß und dafür zu dünn ist.

Und auf der anderen Seite blickt man auf ein Armaturenbrett aus Karbon, in dem digitale Instrumente und ein großer Touchscreen stecken und in dem man sogar kabellos sein Smartphone laden kann. Und wo früher mal ein Schaltknüppel aufragte, gibt es jetzt einen Drehschalter.

Ein neuer Weg zu neuen Oldtimer-Kunden

Hannig weiß um diesen Kontrast und sieht darin den besonderen Reiz des Retro-Renners. Aber er weiß auch, dass er damit traditionellen Liebhabern nicht kommen muss. Sondern er sieht den e-Type Zero als Angebot für einen neuen Kundenkreis: für Fans alter Formen, die sich nicht mit anfälliger Technik herumplagen wollen, und für Anhänger der elektrischen Revolution, die trotzdem von der alten Welt nicht ganz lassen wollen.

Und für alle Nietenzähler und Traditionalisten hat er zwei Informationen zum Trost: Zum einen werden im Werk nur Autos umgebaut, die für die Restaurierung sonst verloren gewesen wären, weil sie keinen oder zumindest keinen originalen Motor mehr hatten. Und zum anderem ist der Umbau so konzipiert, dass er keinen Schaden anrichtet. In ein paar Stunden lässt sich die Organspende spurlos rückgängig machen.

Fazit: zwischen den Welten

Es fällt schwer, sich eine abschließende Meinung zum e-Type Zero zu bilden. Denn so richtig gut fühlt sich der Umgang mit der Legende nicht an. Aber da er vom Hersteller ausgeht, ist daran kaum etwas auszusetzen. Und was der e-Type an Emotionen und Echtheit verliert, das macht er mit Alltagstauglichkeit und seinem Aufmerksamkeitswert wieder wett.

Doch angesichts der hohen Preise gibt es für das Dilemma vielleicht eine einfache Lösung: statt 300.000 Euro an die Klassiksparte zu überweisen, kauft man sich einen elektrischen i-Pace und einen konventionellen F-Type. Und vom gesparten Geld leiht man sich immer mal wieder einen Oldtimer.

Datenblatt: Jaguar e-Type Zero

Motor und Antrieb: Elektromotor
Hubraum: 0 ccm
Max. Leistung: 190 kW/258 PS
Max. Drehmoment: 450 Nm
Antrieb: Hinterradantrieb
Getriebe: Eingang-Automatik mit Start-Stopp-Funktion
Maße und Gewichte
Länge: 4450 mm
Breite: 1660 mm
Höhe: 1220 mm
Radstand: 2438 mm
Leergewicht: 1400 kg
Zuladung: k.A.
Kofferraumvolumen: k.A.
Fahrdaten
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: < 7,0 s
Durchschnittsverbrauch:
Reichweite: 322 km
CO2-Emission: 0 g/km
Kraftstoff: Strom
Schadstoffklasse: k.A.
Effizienzklasse: k.A.
Kosten
Basispreis der Jaguar e-Type Zero: ca. 300 000 Euro
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer pro Jahr: k.A.
Wichtige Serienausstattung
Sicherheit: Zweipunkt-Gurte, LED-Scheinwerfer
Komfort: Ledersitze, Touchscreen-Navigation, kabellose Ladeschale fürs Smartphone
Spritspartechnik: Elektroantrieb

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke

(dpa)
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