Ist das noch Deutsche Bahn oder kann das weg?
Berlin – Muss die Deutsche Bahn auch Züge durch Wales steuern? Und Busse in Budapest? Selbst Krankenwagen in England und ein Autohaus in Slowenien gehören dem größten deutschen Staatskonzern – während in Deutschland Züge ausfallen und sich Verspätungen häufen.
Auf dem Weg zum Global Player hat der größte deutsche Staatskonzern ein kaum überschaubares Firmenimperium angehäuft; 680 Beteiligungen stehen im Geschäftsbericht. Und nun hat die Bahn auch noch Probleme beim Aufräumen: Der Verkauf der großen Auslandstochter Arriva scheint vorerst gescheitert, der Vorstand ist eine Baustelle – und die Züge werden kaum pünktlicher.
Fast jeder vierte Fernzug ist auch in diesem Jahr zu spät gekommen.
Das Jahresziel von höchstens 23,5 Prozent verspäteter Züge war verglichen mit früher bescheiden gesetzt und wurde bis Ende September gerade eben erreicht. Die Bahn muss hoffen, dass ihr nicht noch Herbststürme oder ein früher Winter einen Strich durch die Rechnung machen.
Auch um mehr Pünktlichkeit und Qualität für Bahnkunden auf dem Heimatmarkt zu finanzieren, sollte Arriva verkauft werden – und mit ihr manch ungewöhnliche Beteiligung, etwa die Krankentransporte in Großbritannien und das Autohaus in den Bergen Sloweniens, das kürzlich eine Analyse des Online-Magazins «Buzzfeed» zierte.
Zurück zum «Brot-und-Butter-Geschäft», heißt es in der gläsernen Konzernzentrale schon länger, erst recht befeuert durch die Klimadebatte. 2018 hatte es trotz Fahrgastrekords Gewinneinbußen gegeben, dieses Jahr sieht es nicht besser aus. Die Schulden steigen. Und doch muss die Bahn investieren: in Gleise, Züge, Digitaltechnik. Das Netz ist in großen Teilen sanierungsbedürftig.
Mit ihren Bussen und Bahnen in 14 europäischen Ländern ist Arriva profitabel, der Verkaufserlös hätte der Bahn kurzfristig geholfen. Die Rede war von bis zu 4 Milliarden Euro Erlös für die Tochter, die 2010 für 2,8 Milliarden Euro geholt worden war.
Doch die Erwartungen waren zu hoch.
Nach unbestätigten Medienberichten war zuletzt noch ein Bieter interessiert, der umgerechnet 2,5 Milliarden Euro geboten haben soll – der Investor wollte sich Donnerstag nicht dazu äußern. Im Konzernumfeld hieß es am Donnerstag lediglich, die zu erwartenden Erlöse lägen erheblich unter dem Buchwert. Doch auch das Brexit-Chaos machte den Verkauf von Arriva mit seinem Unternehmenssitz in England schwierig.
Der zuständige Bahn-Finanzvorstand Alexander Doll ist angeschlagen. Vor der Aufsichtsratsitzung wurde über einen Rauswurf spekuliert, am Mittwoch hatte er bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorsprechen müssen.
Doch vorerst bleibt Doll im Amt, wie aus Aufsichtskreisen am Donnerstagabend zu hören war. Eine weitere Sondersitzung soll anberaumt werden, um den Vorstand um Konzernchef Richard Lutz zu befrieden, vermutlich in zehn Tagen. Der Streit unter den Topmanagern soll daher rühren, dass Doll sich Lutz‘ Wunsch widersetzt habe, sich auf das Ressort Güterverkehr zu konzentrieren.
Denn mit der Sparte ist momentan kaum ein Blumentopf zu gewinnen.
DB Cargo fährt seit Jahren Verluste ein, der Marktanteil ist unter 50 Prozent gesunken. Die Wende soll nun Sigrid Nikutta bringen, bislang verantwortlich für Berlins Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen. Sie wird im Januar Bahn-Vorstandsmitglied.
Dann wird die Frage noch immer im Raum stehen, woher die Bahn noch Geld bekommen kann. Der Bund hatte zuletzt mit dem Klimapaket die Geldbörse geöffnet, das allein bringt bis 2030 rund 20 Milliarden Euro zusätzlich, wie Bahnchef Richard Lutz ausgerechnet hat. Auch die Bundesmittel für Erhalt und Instandsetzung der Schienenwege werden deutlich aufgestockt. Beim Eigentümer Bund die Hand aufzuhalten, dürfte deshalb schwierig werden.
Der Bundesrechnungshof hatte empfohlen, neben dem Arriva-Verkauf auch zu prüfen, ob sich DB Schenker versilbern lässt. Die internationale Spedition mit 76 000 Mitarbeitern betreibt Lastwagen, Frachtschiffe und Flugzeuge, Logistikzentren und Lagerhäuser. Sie stand schon einmal zur Disposition, derzeit will der Konzernvorstand die profitable Tochter jedoch behalten.
Es sei auch längst nicht jede Auslandsbeteiligung fragwürdig, gibt Karl-Peter Naumann zu bedenken, der als Ehrenvorsitzender von Pro Bahn den Fahrgästen in Deutschland eine Stimme geben will. «Beim Güterverkehr etwa brauchen sie ein internationales Standbein», erklärt Naumann. Man könne keinem Kunden erklären, dass er seine Fracht an der Grenze auf Züge anderer Anbieter umladen müsse. «Und wenn ausländische Anbieter der Bahn im deutschen Regionalverkehr Konkurrenz machen, warum soll es nicht auch umgekehrt so sein?»
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(dpa)