IOC erhält Quittung für «Russland-Resolution»
Rio de Janeiro – Julija Jefimowa saß gerade im Taxi, als sie die Nachricht von ihrer Olympia-Teilnahme erfuhr. «Sie konnte ihre Gefühle nicht zurückhalten. Sie schrie, weinte, lachte», berichtete ihr Berater Andrej Mitkow.
Bei IOC-Präsident Thomas Bach dürfte die Freude nicht gar so ausufernd gewesen sein. Schon am Donnerstag waren Bach und das Internationale Olympische Komitee vom obersten Sportsgerichtshof CAS mit Blick auf ihren fragwürdigen Russland-Beschluss zurückgepfiffen worden. So musste das IOC notgedrungen Jefimowa und weiteren Sportlern grünes Licht erteilen.
Entsprechend wuchs das russische Olympia-Team auf 280 Sportler an. Nach Informationen der russischen Nachrichtenagentur Tass habe das IOC nach Jefimowa auch den vier weiteren wegen Dopings verbannten Schwimmern Natalia Lowzowa, Michail Dowganjuk, Anastasia Krapiwina und Daria Ustinowa genauso die Starterlaubnis erteilt wie dem zweimaligen Ringer-Weltmeister Viktor Lebedew. Eine Bestätigung des IOC gab es zunächst nicht.
Hintergrund ist die CAS-Entscheidung, dass Sportlern auf Grundlage einer früheren Dopingsperre nicht die Teilnahme an den Olympischen Spielen verwehrt werden darf. Damit erhielten Bach und Kollegen die Quittung für ihre wenig durchdachte «Russland-Resolution». Auf einen Komplett-Ausschluss der russischen Mannschaft hatte das IOC verzichtet – trotz der deutlichen Hinweise im Untersuchungsbericht der Welt-Anti-Doping-Agentur auf ein ausgeklügeltes Staatsdoping-System.
Das IOC wollte vielmehr Sportler verbannen, die eine Doping-Vergangenheit aufweisen oder im McLaren-Report erwähnt werden. Am Ende ließen sich beide Aspekte nicht mehr in der Form durchdrücken.
Das CAS hatte bereits 2011 die sogenannte Osaka-Regel für nichtig erklärt. Die Regel sah vor, dass Dopingsünder automatisch von den nächsten Olympischen Spielen ausgeschlossen werden – praktisch eine Doppelbestrafung. Und auch bei einigen im McLaren-Bericht genannten Athleten reichte die Beweislage nicht für einen Ausschluss aus.
So hatten die internationalen Verbände und das CAS einen Haufen Arbeit – und die Russen am Ende gut lachen. Wie etwa Jefimowa. «Bisher hatten wir keine olympische Akkreditierung und deshalb keinen Zutritt zum Trainingsgelände. Auch nicht zum Olympischen Dorf, Julia wohnt in einem normalen Hotel. Für uns ist schon der Start in Rio ein Sieg. Die Platzierung ist bedeutungslos», sagte ihr Berater Mitkow der russischen Tageszeitung «Moskowski Komsomolez».
Neben Jefimowa hatten am Freitag bereits Segler Pawel Sosikin und Bahnradsportlerin Olga Zabelinskaja ihr Startrecht erhalten, womit sich die Zahl der Teammitglieder bereits auf 274 Sportler erhöht hatte.
Dazu schickte der russische Verband am Samstag noch kurzfristig Alexej Kurbatow ins Straßenrad-Rennen. Der 22-Jährige nahm den Startplatz von Ilnur Zakarin ein. Der Tour-de-France-Etappensieger hatte am Freitag doch noch die Startberechtigung vom IOC erhalten, war allerdings laut Verbandsangaben gar nicht in Rio und konnte somit nicht mehr rechtzeitig anreisen.
Auch Whistleblowerin Julia Stepanowa, die vom IOC quasi zur unerwünschten Person erklärt worden ist, fehlt in Rio. Sie wird das Olympia-Startrecht beim CAS auch nicht einklagen – aber sie klagt das IOC an. Die Entscheidung, sie nicht teilnehmen zu lassen, sei nicht überraschend, heißt es in einer Erklärung der russischen 800-Meter-Läuferin und ihres Mannes Witali Stepanow vom Freitagabend.
Es werde einmal mehr bewiesen, dass die Weigerung des IOC, sie als neutrale Athletin teilzunehmen zu lassen, die Grundsätze der natürlichen Gerechtigkeit verletzten. «Es folgt keiner Logik, außer dem Wunsch, eine völlig glaubwürdige Informantin zu bestrafen», schrieb das Paar. Der 31 Jahre alten Leichtathletin war vom IOC auch wegen einer zweijährigen Dopingsperre die Teilnahme an den Rio-Spielen verweigert worden.
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(dpa)