Indien stellt die Produktion des Kult-Autos „Ambassador“ ein
Als in Ostdeutschland 1991 der letzte Trabi vom Band lief, ging eine Epoche zu Ende. Dieses Auto hatte die DDR-Bürger über Jahrzehnte geprägt. Ähnliches geschieht nun in Indien: Die Herstellerfirma des legendären Ambassadors hat die Produktion eingestellt.
Mehr als ein Auto: Der Ambassador
Die Meldung überraschte viele Inder: Hindustan Motors hat ohne Vorankündigung die Produktion des Ambassadors gestoppt. Firmenvertreter sprechen zwar nur von einer Unterbrechung, aber Experten rechnen mit dem endgültigen Aus. Die meisten Inder haben diese Nachricht traurig aufgenommen, dieses Modell gilt als nationales Symbol. Es war das erste Fahrzeug auf indischen Straßen, welches aus der heimischen Industrie stammte. Kurz nach der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien sahen viele im Ambassador ein Zeichen des neuen Selbstbewusstseins. Dieses verkörperte auch die Form des Autos. Die monströsen und zugleich eleganten Modelle lassen sich als Straßenschiff bezeichnen, sie ähneln einer Limousine. In den vergangenen Jahren haben die Ambassadors aufgrund ihrer Geschichte und ihres eindrucksvollen Aussehens zunehmend einen Kult-Status gewonnen. Inmitten neumodischer Autos fallen sie sofort auf.
Firma in Schwierigkeiten, Automarkt schwächelt
Diese Beliebtheit schlug sich aber nicht mehr in den Verkaufszahlen nieder. 2013 verkaufte der Hersteller nur noch 2214 Exemplare zum Preis von umgerechnet 6500 Euro, viel zu wenig für einen wirtschaftlichen Betrieb. Daran trägt zum einen Hindustan Motors selbst schuld: Die Inder haben es versäumt, den Wagen weiterzuentwickeln. Das Design hätten sie beibehalten können, sie hätten aber in die Technik investieren müssen. Fahrten mit einem Ambassador gleichen einem Abenteuerausflug, das Auto wackelt bedenklich. In puncto Verkehrssicherheit kann es mit dem neuesten Standard nicht annähernd mithalten. Zum anderen stagniert der indische Automarkt im Allgemeinen, das spüren auch andere Hersteller. Nach Jahren des massiven Wachstums kriselt die Wirtschaft Indiens. Zudem hat der indische Staat in den Wachstumsjahren viel zu wenig Geld in die Verkehrsinfrastruktur investiert, es mangelt zum Beispiel an Schnellstraßen zwischen den Großstädten. Viele Inder müssen Hunderte Kilometer über kaputte Landstraßen fahren. Das motiviert nicht dazu, Geld für ein Fahrzeug auszugeben.
Eine Ära endet
Wenn die meisten Inder einen Ambassador sehen, kommen nostalgische Gefühle hoch. Deswegen schmerzt nun auch die Einstellung der Produktion. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen lässt sie sich aber nachvollziehen, der Hersteller setzte viel zu wenig Modelle ab. Die versäumte Weiterentwicklung des Autos rächt sich. Zugleich belegt dieses Beispiel die Schwierigkeiten der indischen Wirtschaft.
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