In Norwegen herrscht Streit um Eiswürfel aus Gletschereis
Oslo – Der Gletscher Svartisen im Norden Norwegens ist eine Attraktion. Seine 60 Arme breiten sich über eine Fläche von 370 Quadratkilometern aus, und weil er nur 20 Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist er für Touristen leicht erreichbar.
Rund 20.000 besuchen jedes Jahr die Eismasse am Polarkreis in der Nähe von Mo i Rana. Doch das ist für die strukturschwache Region nicht genug. Der Unternehmer Geir Olsen will nun dafür sorgen, dass der Svartisen buchstäblich in aller Munde ist. Aus dem 1000 Jahre alten Gletschereis will er Eiswürfel herausschneiden und an exklusive Bars und Restaurants verkaufen. Denn reines Eis ist das A und O eines Cocktails, weiß Olsen. Pro Drink könnten das 15 bis 35 Dollar ausmachen. Der teuerste Eiswürfel der Welt, sagt er selbst.
«Das Gletschereis hat eine sehr gute Qualität, es ist sehr klar und rein, nicht verschmutzt und gibt keinen Geschmack ab», schwärmt Olsen. Deshalb glaubt er, dass es für so ein exklusives Produkt auch einen Markt gibt. «Ich war in Kontakt mit High-End-Bars und Restaurants in London, New York und Dubai.» Das Interesse sei sehr groß.
«Es gibt immer Leute, die so etwas mitmachen», meint der Berliner Barkeeper Oliver Ebert, der in Prenzlauer Berg die Cocktailbar «Becketts Kopf» betreibt. «Ich halte die Idee aber für ziemlich dekadent.» Im umweltbewussten Europa sei die Vermarktung solcher Gletschereiswürfel sicher nicht leicht. Eis aus Nordnorwegen in einer geschlossenen Kühlkette über so weite Strecken zu transportieren, sei ökologisch gesehen problematisch.
Bereits vor 100 Jahren sind die Leute am Glomfjord zum Gletscher hochgelaufen, um Eis abzutragen – zum Kühlen von Lebensmitteln oder als besonderes Extra bei Hochzeiten und anderen Feiern. «Nun kann auch ihre Dinnerparty mit einem großen Spektakel enden», heißt es in einem Werbefilm von Olsens Firma
Svaice.
Seit 2015 arbeitet Olsen, der auch andere Firmen betreibt, an seinem Projekt. Die Gemeinde Meløy und der Bezirk Nordland zeigten sich zu Beginn sehr offen, schließlich versprach Olsen mindestens 50 neue Arbeitsplätze für die Region. Nachdem er erste Proben entnommen hatte, genehmigte die Gemeinde eine dreimonatige Testphase. Mit einer Motorsäge schnitten seine Mitarbeiter große Würfel aus dem Gletscher, die in Säcken verpackt, von einem Helikopter wegtransportiert wurden.
Bis zu 6000 Flüge in drei Monaten hatte der Gemeinderat genehmigt, ohne dabei an die Bewohner zu denken. Fünf Häuser, drei Firmen und drei Hütten befanden sich in der Einflugschneise, und die acht Betroffenen fanden das fliegende Eistaxi gar nicht lustig. «Wenn die das durchziehen, dann können wir hier nicht mehr wohnen, und unser Eigentum wird wertlos», sagte Ruth Myrvang dem Norwegischen Rundfunk NRK 2016.
Auf Druck der Gemeinde verlegte Olsen den Landeplatz für den Helikopter in unbewohntes Gebiet und reduzierte die Anzahl der Flüge. «Alle haben Grund, zufrieden zu sein», dachte er, doch als er vor wenigen Wochen den endgültigen Antrag zur kommerziellen Gewinnung des Gletschereises stellte, war der Gegenwind noch kräftiger geworden. Nun fürchten samische Rentierbesitzer, ihre Tiere könnten durch die Helikopter verschreckt werden.
Die heftigste Kritik aber kommt von der Organisation
Norsk Friluftsliv. Deren Generalsekretär Lasse Heimdal spricht von einem irrsinnigen Projekt. «Der Eisabbau ist an sich eine umweltschädliche Aktivität. Wenn wir an die Bedrohungen denken, denen die Welt durch den Klimawandel ausgesetzt ist – und was wir in Norwegen durch das Abschmelzen der Gletscher selbst merken – so ist dieses Projekt der stärkste Ausdruck von menschlichem Wahnsinn und Naturzerstörung.» Die Vorstellung, dass Eiswürfel von schmelzenden Gletschern mit Helikoptern ausgeflogen und mit Schiffen und Autos um die Welt transportiert werden, um auf Kreuzfahrtschiffen, Drinks zu kühlen, sei so schlimm, dass er sich vorstellen könne, dass sich einige aus Protest anketten würden.
Geir Olsen kann die Kritik nicht verstehen. «Eis ist doch die größte nachwachsende Ressource der Natur», sagt er. Ein durch und durch umweltfreundliches Produkt. Und zum Schmelzen des Gletschers würde er damit nicht beitragen. «Wir tragen nur Eis ab, das sowieso schmilzt.» Er glaubt vielmehr, dass sein Projekt den
Svartisen in der Welt bekannt macht und vielleicht mehr Menschen dazu bringt, über den Zustand der Gletscher nachzudenken.
Der Fall liegt jetzt zur öffentlichen Anhörung aus und die Bevölkerung kann sich dazu äußern. Im September wird die Gemeinde die Vor- und Nachteile abwägen. Die Klagen der Samen und der Freizeitverbände könne man nicht ignorieren, sagt Ola Arnfinn Loe von der Gemeinde Meløy. «Helikopter machen immer Lärm, auch wenn sie weniger fliegen.» Olsen müsse damit rechnen, dass er die Genehmigung letzten Endes nicht bekomme.
Für Olsen wäre das bitter. 12 Millionen Kronen (1,27 Mio Euro) hat er nach eigenen Angaben bereits in das Projekt investiert. Im nächsten Jahr – so sein Plan – will er mit seinem Produkt auf den Markt gehen.
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(dpa)