HSV trifft auf 96: Nord-Duell um die Tabellenspitze
Hannover – Der Hamburger SV braucht dringend Ruhe, Hannover 96 will mit neuem Selbstbewusstsein wieder punkten.
Zwar wird einer der beiden Nordclubs nach dem Duell am Freitagabend (20.30 Uhr) zumindest über Nacht Spitzenreiter der Fußball-Bundesliga sein. Doch während sich bei Aufsteiger Hannover die Euphorie immer weiter ausbreitet, mehren sich beim HSV wieder Zweifel und reichlich Respekt vor den Niedersachsen. «Sie treten auf wie ein verschworener Haufen», sagte HSV-Sportchef Jens Todt vor dem Auswärtspiel. 96-Clubboss Martin Kind verkündete hingegen, er habe «wenig Angst» vor den Hamburgern.
Nach der 1:3-Pokalblamage beim Drittligisten VfL Osnabrück galt der HSV schon vor dem Ligastart mal wieder als reif für Liga zwei. Doch die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol besiegte Augsburg und Köln, die erste Niederlage gab es vergangene Woche gegen Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig.
Das Problem des HSV ist die Verletzungsserie: Die Offensivspieler Nicolai Müller, Aaron Hunt und Filip Kostic fallen länger aus, und der Kader ist klein. Als Reaktion rekrutierten die Hanseaten in dieser Woche den vertragslosen Mittelfeldmann Sejad Salihovic. Gisdol will einen sofortigen Einsatz der Neuerwerbung noch nicht wagen. «Ob Sali auf der Bank oder Tribüne sitzt, müssen wir erst sehen», sagte er. «Wir haben noch andere Spieler, die erst mal dran sind.»
Und ein Blick auf den Spielplan bietet Hamburg ebenfalls keine rosige Aussicht: Nach dem schwierigen Auswärtsspiel in Hannover, das wieder nur im zuletzt wenig Übertragungspannen heftig kritisierten Eurosport-Internetstream übertragen wird, warten Partien gegen Dortmund, Leverkusen und Bremen. Der HSV könnte also sehr bald wieder im Tabellenkeller stehen.
Solche Szenarien beschäftigen bei Hannover 96 derzeit kaum jemanden, nachdem die Mannschaft wie der HSV überraschend erfolgreich in die Liga gestartet ist. Hannover-Trainer André Breitenreiter versucht, das Umfeld weiter von der Außenseiterrolle des Clubs zu überzeugen.
Damit ist er gut beraten: Zwar tritt 96 bislang geschlossen und engagiert auf, die Defensive ließ sehr wenig zu. Aber in der Offensive fehlt dem Club die individuelle Qualität, um Gegner regelmäßig ausspielen zu können. Breitenreiters Männer sind noch ungeschlagen, haben sieben Punkte geholt, so viele wie Spitzenreiter Dortmund und einen mehr als Bayern München. Aber in den drei ersten Ligaauftritten gelang 96 nur ein Tor je Spiel – eine solche Quote ist auf Dauer zu wenig.
Breitenreiter hat zudem schon erlebt, wie schnell Schwung und Euphorie bei einem Aufsteiger verpuffen können, wenn der Winter kommt. Mit dem damaligen Aufsteiger SC Paderborn war der Coach 2014 nach vier Spieltagen Tabellenführer – dann wurde das Team durchgereicht und stieg am Ende als Tabellenletzter ab. Das will sein aktueller Arbeitgeber unbedingt vermeiden: Hannover sieht sich mittelfristig als Erstligist mit Europa-Ambitionen, nicht als Fahrstuhlmannschaft. Ein erneuter Abstieg wäre ein harter Rückschlag.
Die jüngere Bilanz spricht am Freitag für keinen der Clubs: In den Jahren vor Hannovers Abstieg 2016 war sie ausgeglichen. Das bislang letzte Remis gab es im November 2011. Ein Punkt würde Hannover diesmal zur Tabellenführung reichen. Mindestens für eine Nacht.
Die vorassichtlichen Aufstellungen:
Hannover 96: Tschauner – Korb, Sané, Felipe, Ostrzolek – Anton – Schwegler, Bakalorz – Harnik, Klaus – Jonathas
Hamburger SV: Mathenia – Diekmeier, Papadopoulos, Mavraj, Santos – Ekdal, Walace – Hahn, Holtby, Jatta – Wood
Schiedsrichter: Hartmann (Wangen)
Fotocredits: Daniel Reinhardt
(dpa)