Holtby schaltet Gehirn aus und trifft für den HSV zum Sieg

Hamburg – Lewis Holtby tickte völlig aus. Als kurz nach seinem Last-Minute-Siegtor der Abpfiff ertönte, raste er in die Fankurve und gab wie von den Anhängern gefordert den Einpeitscher. Grund zum Feiern gab es gleich doppelt.

Der Hamburger SV verließ durch das 2:1 (1:1) über den 1. FC Köln erstmals seit sechseinhalb Monaten die Abstiegszone, und Holtby beendete seine 2172-minütige Torflaute. «Als der Ball kam, dachte ich nur: ‚Knall drauf!‘ Danach war alles verrückt und mein Gehirn hat komplett ausgeschaltet», schilderte der Ex-Nationalspieler mit leuchtenden Augen den spielentscheidenden Moment im mit 57 000 Zuschauern ausverkauften Volksparkstadion.

«Nach dem Siegtor hatte man das Gefühl, es brechen alle Dämme», sagte HSV-Coach Markus Gisdol, der ob der brodelnden Atmosphäre eine Gänsehaut und Probleme verspürte, «wieder runterzukommen». Der Labbadia-Nachfolger hat es verstanden, eine Einheit zu formen, die bis zuletzt alles gibt und so auch die Fans hinter sich gebracht hat. «Wir haben ein paar Dinge verstanden, was den Mannschaftsgeist angeht. Damit holst du die Zuschauer ab. Es war fantastisch, wie wir auch heute von den Fans getragen wurden.»

«Es war ein Sieg des Willens», erklärte Torwart René Adler, und für die Willenskraft stand Siegtorschütze Holtby. Denn schon vor Beginn der dreiminütigen Nachspielzeit lebte er mit zwei Grätschen und anschließenden Ballgewinnen an der Auslinie vor, dass Kampf bis zur letzten Sekunde angesagt ist – sofort stand das Publikum wieder hinter dem HSV. Im achten Heimspiel (6 Siege, 2 Unentschieden) sind die Hanseaten in Serie unbesiegt.

«Das war ein brutales Zeichen an die Fans, dass wir unbedingt den Sieg wollen», erklärte Adler hinterher. «Ich habe bei den Grätschen vor meinem Tor einfach instinktiv gehandelt. Du musst immer alles geben und reinwerfen – ausruhen kannst du dich später. Diese Momente pushen die Fans», erklärte Holtby seine Energieleistung. Die machte den Unterschied aus, wie auch Kölns Trainer Peter Stöger zugab. «Das Tor zum 2:1 war leider ein Spiegelbild der Schlussminuten. Wir hätten den Ball zuvor mehrfach klären können, schenken ihn den Hamburgern dann aber her und sie nutzen die Chance», monierte der Österreicher.

Während sein Team durch die erste Liga-Niederlage gegen den HSV seit 2012 um die Qualifikation für die internationale Bühne bangen muss, gab es beim erstarkten HSV (20 Punkte aus den jüngsten elf Partien) nur strahlende Gesichter. «Ein unfassbarer Glücksmoment – das kann kein Außenstehender nachvollziehen», jubelte Abwehrchef Mergim Mavraj nach dem Happy End, durch das der HSV den ungeliebten Relegationsrang verlassen konnte. Der im Winter für 1,8 Millionen Euro an die Elbe gelotste Ex-Kölner war mit Nebenmann Kyriakos Papadopoulos dafür hauptverantwortlich, dass der im Hinspiel dreimal erfolgreiche Toptorjäger Anthony Modeste (22 Saisontore) nahezu mattgesetzt wurde.

Momente zum Feiern blieben den HSV-Profis nur im Stadion, in Borussia Dortmund wartet schon am Dienstag die nächste Herausforderung. «Die Spieler können sich heute freuen, aber für Party haben wir aktuell keine Zeit. Vor uns liegt noch ein langer Weg», mahnte Gisdol, der beim BVB höchstwahrscheinlich seinen 1:0-Torschützen Nicolai Müller ersetzen muss. Bei dem Offensiv-Spieler besteht der Verdacht auf eine Bänderverletzung im Knie. «Das ist der einzige Wermutstropfen», sagte Gisdol, der positiv bleiben wollte. «Ich versuche, nicht an schlimme Dinge zu denken.»

Fotocredits: Christian Charisius
(dpa)

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