Heynckes-Effekt entfacht Blitz-Wirkung
München – Auch Ralph Hasenhüttl hätte nicht gedacht, dass der Heynckes-Effekt beim FC Bayern eine derartige Blitz-Wirkung entfacht. Und so war der Österreicher nach dem Münchner Überzahl-2:0 im leider viel zu früh entschiedenen Topspiel der Fußball-Bundesliga auch der allererste Gratulant.
«Glückwunsch an Jupp und seine Jungs zum Sieg und zur Tabellenführung. Das ging ja verdammt schnell. Du hast nicht lange gebraucht – und ihr seid ganz vorne», sagte Hasenhüttl im Pressesaal der Münchner Arena zu seinem älteren Sitznachbarn.
In der Tat: Der 72-jährige Heynckes hat nach seiner Rückkehr aus dem Ruhestand einen märchenhaften Comeback-Lauf erwischt, bei dem wie auf Knopfdruck alles funktioniert und die Titel-Konkurrenten tatkräftige Hilfestellung leisten. Borussia Dortmund stürzt in eine Krise – und dem Herausforderer der Zukunft, RB Leipzig, fehlt es einfach noch an Reife, um den deutschen Rekordchampion mehr als nur zu kitzeln.
Drei Tage nach dem glücklichen Bayern-Erfolg im «Gigantenkampf über 120 Minuten» (Heynckes) im DFB-Pokal standen die Leipziger im Kampf um die Liga-Hoheit rasend schnell als Verlierer da. Im Topspiel, auf das sich alle so sehr gefreut hatten, wurde mit der Roten Karte für RB-Kapitän Willy Orban nach einer unglücklichen Notbremse gegen Arjen Robben viel zu früh der Stecker gezogen. «Wir waren leider schon nach 13 Minuten mit unserem Matchplan am Ende», stöhnte Hasenhüttl.
Der Platzverweis nach Videobeweis, den alle Leipziger erstaunlich fair als «völlig regelkonform» akzeptierten, war ein Vorteil, den die Bayern im Gegensatz zum glücklichen Pokalerfolg diesmal konsequent ausnutzten. «Wir haben direkt Dampf gemacht und gezeigt, wir wollen das Spiel gewinnen», kommentierte Nationalspieler Joshua Kimmich.
Der stark spielende James Rodríguez und der kurz nach seinem zehnten Saisontor leicht verletzt ausgewechselte Torjäger Robert Lewandowski entschieden die einseitige Partie bis zur 38. Minute. «Du hättest die Zuschauer nach dem 2:0 nach Hause schicken können», meinte Hasenhüttl. «Es war ein toller Spieltag für uns», resümierte derweil Bayern-Profi Jérôme Boateng nach dem Sprung an die Tabellenspitze.
Es klingt nach Heynckes-Zauberei: Drei Wochen Arbeit und fünf Pflichtspielsiege am Stück haben ausgereicht, um die Münchner Fußballwelt wieder rosarot zu zeichnen. Erster in der Liga, weiter im Pokal – und am Dienstagabend könnte in Glasgow gegen Celtic der Achtelfinaleinzug in der Champions League folgen.
«Seit Jupp da ist, haben wir alles gewonnen. Wir haben maximalen Erfolg», bemerkte auch Robben verblüfft. Der eigentliche «Wahnsinn» aber sei, dass man in nur drei Ligaspielen acht Punkte auf den vor Heynckes‘ Rückkehr schon enteilten BVB gutmachen konnte. «Nach fünf Punkten Rückstand stehen wir jetzt mit drei Punkten Vorsprung oben», rechnete Robben vor. «Und wir wollen da oben bleiben», kündigte Boateng vor dem nächsten Spitzenspiel am Samstag in Dortmund an.
Heynckes sah am Samstagabend sogar wohlwollend über den lahmen Bayern-Auftritt in der zweiten Hälfte hinweg. «Wir haben das Spiel sehr clever nach Hause gebracht», lobte der Erfolgscoach sogar mit Blick auf die überstandenen und weiterhin anstehenden Strapazen.
Besorgniserregend ist für die Bayern aber die Stürmernot. Es droht ein Ausfall von Lewandowski in Glasgow. «Robert ist unser einziger Stürmer. Es ist Wahnsinn, dass wir da keinen Ersatz haben im Moment», meinte Boateng. Lewandowski angeschlagen, Kingsley Coman ebenfalls, dazu Thomas Müller und Franck Ribéry verletzt: «Die Offensivspieler fehlen uns gerade ein bisschen», erklärte Abwehrspieler Boateng.
Auch Leipzig muss sich vor dem wichtigen Champions-League-Spiel am Mittwoch beim FC Porto um Naby Keita sorgen. Der Mittelfeldspieler humpelte nach einem fiesen Tritt von Bayerns Thiago aufs Sprunggelenk vom Platz. Die bittere Bayern-Woche müssen die Leipziger ganz schnell abhaken. Joachim Löw traut dem sächsischen Herausforderer aber zu, «den Bayern in den nächsten Jahren ein gefährlicher Gegner zu sein», wie der Bundestrainer im ZDF sagte.
Dafür müssen Orban, Forsberg, Keita und Co. aber eines unbedingt abstellen – die Platzverweise. Drei von vier Pflichtspielen gegen Bayern bestritt RB in Unterzahl. «Ich würde gegen Bayern auch gerne mal ein Spiel Elf gegen Elf sehen», sagte Marcel Sabitzer zum Wunsch fürs nächste Bayern-Bullen-Duell in der Bundesliga-Rückrunde.
Fotocredits: Tobias Hase
(dpa)