Hentke: Mit Nowitzki im Team wäre ich nicht schneller
Rio de Janeiro – Nach dem Wettkampftest über 400 Meter Lagen startet Franziska Hentke am Dienstag in ihrer Spezialdisziplin. Die Europameisterin und Zweite der Weltjahresbestenliste zählt über 200 Meter Schmetterling zu den Medaillenkandidatinnen.
Im Interview der Nachrichtenagentur dpa spricht sie über ihre Ziele, den «inneren Schweinehund» und über die Auswirkungen von Dirk Nowitzki in ihrem Team.
2008 und 2012 sind Sie knapp an einer Olympia-Teilnahme gescheitert. Welche Bedeutung hat es da, in Rio zu sein?
Franziska Hentke:Das hat für mich eine richtig große Bedeutung. Nachdem ich die Teilnahme 2008 und 2012 so knapp verpasst habe, habe ich mich gerade nach 2012 noch einmal aufgerafft und einen dritten Anlauf unternommen. Es freut mich ungemein, dass meine harte Arbeit belohnt wurde und ich jetzt endlich bei Olympischen Spielen starten darf.
Und jetzt geht es für sie als Europameisterin aber sicher nicht nur um die Teilnahme. Eine der besten Schwimmerinnen der Welt über 200 Meter Schmetterling hat doch da sicher höhere Ziele?
Hentke:Die EM in London war ein netter Zwischenschritt, aber das Ziel für Rio bleibt: Ich will im Finale meine Bestzeit schwimmen.
Liebäugelt man da nicht auch mit einer Medaille, wenn man Europameisterin ist, im vergangenen Jahr die Beste der Weltjahresbestenliste war und 2016 die Nummer zwei?
Hentke:Das Größte ist für mich erst einmal, in einem olympischen Finale zu stehen. Und gerade in diesem olympischen Jahr ist die Leistungsdichte größer als in anderen Jahren. Von acht Starterinnen im Finale können sechs die Goldmedaille gewinnen. Wenn ich dort wirklich Bestzeit schwimme, könnte sogar eine Medaille drin sein. Aber da möchte ich jetzt nicht dran denken.
Vier Jahre Schufterei für gut zwei Minuten Schwimmen. Wie können Sie sich motivieren? Sie gelten als extrem trainingsfleißig.
Hentke:Olympia überstrahlt einfach alles. Im Training brauche ich keine Extra-Motivation. Im Vorjahr war ich von den Zeiten Weltjahresbeste, in diesem Jahr bin ich die Nummer 2. Die Kombination in dem Wissen um eigenen Stärke und dem Ziel Olympische Spiele sind absolut Motivation genug. Ich brauche da Niemanden, der mir in den Hintern tritt (lacht). Beim Schwimmen habe ich keinen inneren Schweinehund, den ich überwinden müsste.
Sie und Marco Koch schwimmen innerhalb der Saison zudem verhältnismäßig viele Wettkämpfe. Worin liegt für Sie der Vorteil?
Hentke:Für mich ist wichtig, mich mit der internationalen Konkurrenz zu messen, denn in Deutschland bin ich seit 2008 ungeschlagen. Das soll jetzt nicht arrogant klingen: Aber es ist ein anderes Gefühl vor dem Start, ob ich weiß, ich springe rein und schlage wieder zehn Sekunden vor den anderen an. Oder ob sieben andere Frauen neben mir ähnliche Leistungen bringen. Ich möchte nicht in Rio auf dem Startblock stehen und denken, oh Mist, jetzt sind hier sieben andere, die genauso schnell schwimmen können wie ich.
Wie wichtig sind große Stars in einer Sportart wie Schwimmen, fehlt dem deutschen Schwimmen eine Britta Steffen als Leitfigur?
Hentke:Es braucht Leute, die den Sport nach außen darstellen und mit Leistung überzeugen, wie Michael Phelps, der da steht und sagt, ich bin der absolute Held. Aber es muss auch Sportler geben, die nicht im Fokus stehen und gute Leistungen bringen. Ob eine Britta Steffen fehlt, ist schwer zu sagen. Man muss nicht einen absoluten Star im Team haben, um Leistung abzurufen. Wenn ich wüsste, wir haben Michael Phelps oder Dirk Nowitzki im Team würde das meine Leistung nicht beeinflussen. Ich versuche so oder so, schnell zu schwimmen.
ZUR PERSON: Franziska Hentke (27) ist die aktuell erfolgreichste deutsche Schwimmerin. Bei der EM in London holte sie sich als Siegerin ihre erste internationale Medaille auf der Langbahn. Im Vorjahr bei der WM in Kasan wurde sie als Weltjahresbeste Vierte. Die Magdeburgerin ist Handballfan und hofft, bei Olympia Spiele des deutschen Teams zu sehen.
Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)