Heimvorteil in der Bundesliga wieder im Trend
Frankfurt/Main – Es gibt Dinge, die gibt es nur in Berlin. Das Brandenburger Tor, ein längst fertiger, aber nicht betriebsbereiter Flughafen, den Bundestag – und: Hertha-Siege! Solche Plakate hängte der Fußball-Club in der Hauptstadt auf und nahm sich damit selbst auf die Schippe.
Im eigenen Stadion mit breiter Brust, auswärts meist ohne jedes Selbstvertrauen: Das Phänomen Heimvorteil liegt in der Fußball-Bundesliga wieder stärker im Trend und spiegelt sich bei keinem Verein so eindrucksvoll wider wie bei Hertha BSC, das zuhause 37 und auswärts nur zwölf Punkte holte.
Fast ausschließlich durch ihre Heimstärke haben sich die Hauptstädter eine hervorragende Ausgangsposition erkämpft, am Wochenende in die Europa League einzuziehen. «Wir haben hart gearbeitet – auch für die Heimsiege. Auswärts haben uns 10 bis 15 Prozent gefehlt», sagte Trainer Pal Dardai zur ausgeprägten Heimstärke seines Teams. Manager Michael Preetz ergänzte: «Wir sind zuhause durchaus in der Lage, die Favoritenrolle anzunehmen.» Die Emotionen seien bei Heimspielen nicht nur auf den Rängen, sagte der frühere Stürmer.
49,2 Prozent der Heimspiele wurden in dieser Bundesliga-Spielzeit bislang gewonnen – das ist ein Topwert für die vergangenen zehn Jahre, wie eine Auswertung der Deutschen Presse-Agentur ergab. «Ich freue mich, dass wir nächste Woche wieder ein Heimspiel haben», sagte Herthas Sebastian Langkamp jüngst, nachdem die Berliner mal wieder auswärts verloren hatten. Auch der feststehende Absteiger Darmstadt 98 weist eine riesige Diskrepanz auf: 21 Punkte holten die Lilien zuhause, auswärts waren es ganze drei.
Bei der Herangehensweise an eine Partie machen Trainer in der Bundesliga kaum große Unterschiede. Oft geht es mehr um den Gegner und dessen Spielanlage als um den Spielort. «Ich bin jetzt keiner, der extrem viel von Heim und Auswärts redet. Ich unterscheide da nicht in der Vorbereitung und in der Herangehensweise», sagte Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann, der häufiger das sagt, was viele andere Trainer denken.
Doch was genau macht den Heimvorteil aus? «Meines Erachtens hat es vor allem mit dem Selbstvertrauen zu tun. Das heißt, mit der Überzeugung, in der Lage zu sein, das kommende Spiel zu gewinnen», sagte Sport-Psychologe Michael Gutmann, der in der Liga für Eintracht Frankfurt arbeitet. «Das wird bei der Heimmannschaft geprägt von Gewohnheiten und den Fans im Hintergrund, wobei hier sicher auch der Antrieb dazu zählt, eine Niederlage vor den Augen der Fans vermeiden zu wollen», ergänzte Gutmann.
Dass die unterbewusste Beeinflussung von Schiedsrichtern noch immer eine große Rolle spiele, glaubt der Psychologe nicht. Schließlich habe die Professionalisierung auf allen Seiten zugenommen, bei Spielern und auch bei den Unparteiischen. «Es kann sich sicher kein Schiedsrichter von emotionalen Einflüssen ganz freisprechen, aber die Bedingungen für unbeeinflusste Entscheidungen sind heute vermutlich besser denn je», sagte Gutmann.
17 der 18 Bundesligisten haben in dieser Saison eine bessere Ausbeute im eigenen Stadion als in der Fremde eingefahren. Ausnahme ist der VfL Wolfsburg. «Es macht keinen Sinn, das aufzurechnen. Fakt ist, dass wir in dieser Saison nicht so viele Punkte geholt haben», sagte Sportdirektor Olaf Rebbe. Torwart Koen Casteels kann sich die Schwäche seines Teams nicht erklären. «Es ist schwer zu sagen, warum wir den Heimvorteil nicht nutzen konnten. Leider hat es zuhause nicht so geklappt», sagte Casteels.
Zumindest statistisch scheint es für den VfL kein Nachteil zu sein, das Abstiegsendspiel in Hamburg und nicht in Wolfsburg zu bestreiten.
Fotocredits: Annegret Hilse
(dpa)