Hansa und Hertha: Einst auf Augenhöhe, jetzt Welten getrennt
Rostock – Pavel Dotchev ist Realist. «Wir sind ganz klarer Außenseiter. Die Chancen stehen 30:70, vielleicht sind es nur 20:80», sagt Hansa Rostocks Trainer vor dem DFB-Pokalspiel am Montagabend (20.45 Uhr) gegen Hertha BSC.
Die Mecklenburger liegen in der 3. Liga nach dem vierten Spieltag auf Rang acht. Die Hauptstädter wollen sich mit einem Sieg in ihrem ersten Pflichtspiel für eine erfolgreiche Bundesliga- und Europa League-Saison in die richtige Stimmung bringen.
Vor 20 Jahren war die Lage umgekehrt. Angeführt von Marko Rehmer und Sergej Barbarez auf dem Platz und Trainer Ewald Lienen an der Seitenlinie fegten die Hanseaten am 20. September 1997 die eben erst wieder in die Erstklassigkeit zurückgekehrten Herthaner mit 4:0 aus dem Ostseestadion und legten damit die Grundlage für die erfolgreichste Bundesliga-Saison der Vereinsgeschichte. Am Ende stand Rang sechs und die Qualifikation für den europäischen UI-Cup.
Nicht nur eingefleischte Hansa-Fans geraten ins Schwärmen, wenn sie an die glorreichen Zeiten denken. Geblieben ist davon nicht mehr als die Erinnerung. Selbstüberschätzung, Misswirtschaft und gravierende sportliche Fehlentscheidungen haben den letzten DDR-Meister und Pokalsieger in der Folge in ein tiefes Loch gestürzt. Wiederholt drohte das Aus. Im Mai 2012 rettete erst ein millionenschweres Hilfspaket der Rostocker Bürgerschaft den hoch verschuldeten Traditionsclub vor der Insolvenz.
Drei Jahre später bewahrte Investor Rolf Elgeti den Verein vor dem Ruin. Mit dem Engagement des aus Mecklenburg stammenden Finanz- und Immobilienexperten ist immerhin Ruhe und Kontinuität eingezogen. Jedenfalls in die Büroetage. Nach einem harten Sparkurs wurde das jährliche Defizit in Höhe von zwei Millionen Euro ausgeglichen. Mit erneuter Hilfe von Elgeti, der bestehende Darlehen um ein weiteres Jahr stundete, wurde im Juni auch die Lizenzierungshürde im zweiten Anlauf relativ problemlos genommen.
Nur sportlich – da hapert es nach wie vor. Fünf Jahre Abstiegskampf in der 3. Liga haben ihre Spuren hinterlassen. Auch deshalb gab es in der Sommerpause einen radikalen Personalschnitt. Mit einer total verjüngten Mannschaft soll der neue Trainer Dotchev den Club wieder in bessere Zeiten führen. Für dieses Jahr ist ein Platz im oberen Tabellendrittel das Ziel. Und dann? «Wir wollen in den nächsten zwei Jahren hoch in die 2. Liga», sagte Vorstandschef Robert Marien. Dafür ist der Etat für die Profiabteilung auf vier Millionen Euro aufgestockt worden.
Und es wäre noch etwas mehr Geld in der klammen Kasse, wenn nicht ein kleiner Teil der großen Fangemeinde immer wieder für negative Schlagzeilen sorgen würde. Wegen diverser Verfehlungen müssen sie nach einem DFB-Urteil in zwei kommenden Ligaspielen zu Hause bleiben. Zwei weitere drohen für den Fall, dass es erneut Vorkommnisse gibt. Wohl auch deshalb hat Hansas Chefetage die Anhängerschaft vor dem Spiel gegen Hertha in einem Offenen Brief zu sportlicher Fairness auf den Rängen aufgerufen.
Im Pokal waren Hansa und Hertha 2003 aufeinandergetroffen. Nach einem 2:2 nach 120 Minuten gewannen die Berliner das Elfmeterschießen. «Diesmal versuchen wir, von Anfang an konzentriert dabei zu sein», sagt Hertha-Coach Pal Dardai, der damals noch als Profi auf dem Rasen stand.
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(dpa)