Hannover 96 und die Angst vor dem «freien Fall»
Hannover – In den kommenden Tagen will sich Horst Heldt wieder etwas häufiger auf dem Trainingsplatz blicken lassen. «Ich habe zuletzt zu viele Einheiten verpasst, weil ich mich um zu viele andere Dinge gekümmert habe», sagte der Sportdirektor von Hannover 96 am Samstag.
Der Dauerstreit mit dem harten Kern der eigenen Anhänger, die ständigen Spekulationen um seine eigene Person, Gespräche über seine Beförderung zum Geschäftsführer – es gab in der Tat jede Menge zu tun für Heldt. «Der Fokus muss in den nächsten Wochen wieder nur auf Fußball ausgerichtet sein», sagte Heldt.
Denn spätestens seit der 1:3-Niederlage gegen den FC Augsburg weiß auch Heldt, dass Hannover 96 Gefahr läuft, vielleicht doch noch in den Abstiegsstrudel der Fußball-Bundesliga hineingezogen zu werden. Zwar beträgt der Vorsprung auf den Relegationsplatz immer noch sehr beruhigende sieben Punkte. Doch die Vergangenheit hat gelehrt, dass eigentlich jede Saison eine Mannschaft noch nach unten durchgereicht wird, die damit lange Zeit nicht gerechnet hat.
Das beste Beispiel ist Eintracht Frankfurt in der Saison 2010/11, als die Hessen unter Trainer Christoph Daum am Ende abstiegen, obwohl sie bis Mitte der Rückrunde scheinbar sicher im Mittelfeld der Tabelle platziert waren. «Es gilt, wachsam und aufmerksam zu sein», sagte Heldt angesichts der dritten Niederlage in Serie. «Wir müssen als Gemeinschaft immer das Maximum rausholen, nur so können wir in der Bundesliga bestehen», forderte Torwart Philipp Tschauner.
Gegen starke Augsburger gelang das dem Aufsteiger am Samstag nicht, weshalb es vor 36 500 Zuschauern in der HDI Arena nach den Treffern von Michael Gregoritsch (26. Minute, 83.) und Gojko Kacar (45.+1) bei einem eigenen Treffer von Salif Sané zum zwischenzeitlichen Ausgleich (37.) wieder nicht für einen Dreier reichte. «Am Ende fehlten der Glaube und auch die Mittel. Deshalb haben wir verdient verloren», sagte 96-Coach André Breitenreiter. «Uns fehlt ein bisschen die Leichtigkeit.»
Der Aufstiegstrainer mahnt schon seit Wochen, dass der Klassenerhalt noch lange nicht perfekt ist. Nur weil die Konkurrenz im Keller der Tabelle ebenfalls nicht punktet, sieht es noch recht beruhigend für die Niedersachsen aus. Sonst wäre die Stimmung in Hannover wohl noch schlechter, als sie es ohnehin schon ist.
Denn auch gegen Augsburg setzten die 96-Ultras ihren Stimmungsboykott fort. Zwar war die Atmosphäre deutlich besser als noch zwei Wochen zuvor beim 0:1 gegen Mönchengladbach. Beschimpfungen gegen Club-Boss Martin Kind blieben aus. Doch die Situation bleibt sehr kompliziert. Der harte Kern der Anhänger lehnt die Übernahmepläne von Kind kategorisch ab. Die Absage einer zugesagten Podiumsdiskussion durch den Verein hat die Stimmung weiter vergiftet. Dass 96 als Aufsteiger eigentlich eine gute Saison spielt, interessiert niemanden.
Immerhin soll es an diesem Montag ein erstes Treffen geben, zudem der Verein alle 116 Fanclubs eingeladen hat. Noch wichtiger dürfte aber sein, dass es in naher Zukunft doch eine Podiumsdiskussion geben soll, an der dann auch die Ultras teilnehmen wollen. Heldt genießt bei den hartgesottenen Fans einen guten Ruf, weil er sich anders als Kind deren Belange immerhin anhört. Der Sportdirektor hat zuletzt viel Energie in diese Thematik gesteckt, Zeit, die ihm für das Team fehlte. Das soll sich nun wieder ändern. «Man muss aufpassen, dass man nicht in einen freien Fall kommt», warnte Heldt.
Fotocredits: Swen Pförtner
(dpa)