Haben E-Autos die bessere Ökobilanz als Benziner und Diesel?
Berlin – Eine neue Studie zu Elektroautos und Klima erscheint – und Aufmerksamkeit ist ihr gewiss. Kaum ein anderes umweltpolitisches Thema wird seit einiger Zeit intensiver diskutiert. Wie klimafreundlich sind sie also, die elektrischen Pkw?
Behauptung: E-Autos haben eine bessere Ökobilanz als Benziner und Diesel.
Bewertung: Richtig – vorausgesetzt, man betrachtet den gesamten Lebenszyklus eines Autos.
Die Fakten: Folgt man der EU-Gesetzgebung, ist es ganz einfach: Elektroautos emittieren kein Gramm Kohlendioxid. Deshalb kann ein Autohersteller seine durchschnittliche CO2-Bilanz durch einen E-Pkw in der Flotte aufpolieren.
Tatsächlich ist das mit den null Emissionen aber nicht richtig.
Da ist zunächst die Herstellung: «In der Produktion steht das E-Auto erst einmal schlechter da, was vor allem auf die energieintensive Batterieproduktion zurückzuführen ist», erklärt Anika Regett. Die Wissenschaftlerin arbeitet an der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), ihr Spezialgebiet ist die Ökobilanzierung. Um die wiederaufladbare Batterie herzustellen, wird relativ viel Strom benötigt. Dessen Erzeugung verursacht Emissionen. Wie viele, hängt davon ab, aus welchen Energieträgern er gewonnen wird.
Die meisten Studien gehen von 100 bis 200 Kilogramm CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde (kWh) Batterieleistung aus. Dass einzelne Studien bei der Berechnung von stofflicher Zusammensetzung und Stromverbrauch mitunter zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen, hat folgenden Grund: «Die Daten für die Batterieproduktion sind extrem schwer zu bekommen, weil es vertrauliche Unternehmensdaten sind. Häufig hat man gar keinen Zugang dazu», erklärt Peter Kasten, Experte für Klimaschutz im Verkehr vom Öko-Institut.
Nimmt man also den Mittelwert von 150 Kilogramm Treibhausgasen pro Kilowattstunde an, so entstehen bei der Herstellung einer gängigen E-Auto-Batterie mit 35 kWh Leistung rund fünf Tonnen Treibhausgase. Addiert man die Emissionen der restlichen Herstellung, kommen die verschiedenen Studien am Ende auf Werte zwischen zehn und zwölf Tonnen. Zum Vergleich: Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – egal ob Benziner oder Diesel – rechnen Experten im Schnitt mit sechs bis sieben Tonnen Treibhausgasen.
Den ökologische Nachteil bei der Herstellung machen E-Autos im Betrieb wett.
Zu diesem Ergebnis kommen fast alle aktuellen Studien. Der Elektromotor sei «wesentlich effizienter» als ein Verbrennungsmotor, sagt Regett. «Das Elektroauto weist daher pro Kilometer einen geringeren Energiebedarf auf.» Ihre Auswertung legt einen Ökobilanz-Vorteil gegenüber einem Benziner ab etwa 50.000 gefahrenen Kilometern dar. Dieser Berechnung liegt ein Strommix mit einem Anteil von 29 Prozent erneuerbaren Energieträgern zugrunde. Andere Studien berechnen den Emissions-Vorteil ab Fahrleistungen von rund 100.000 oder auch 150.000 Kilometern.
Eine der wenigen Studien, die zu dem Schluss kommt, dass Elektroautos gegenüber einem Diesel keinen CO2-Vorteil haben, geht unter anderem von einer überdurchschnittlich leistungsstarken und damit besonders klimaschädlichen Batterie beim E-Pkw aus. Sie nimmt zudem an, dass die Emissionen aus der Stromerzeugung in den nächsten Jahren konstant bleiben. Das ist jedoch unrealistisch. Im aktuellen Koalitionsvertrag etwa ist vereinbart, dass der Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent gesteigert werden soll.
Unabhängig von der reinen Treibhausgas-Bilanz wird an E-Autos regelmäßig kritisiert:
Für die Batterieherstellung werden Rohstoffe verwendet, die unter ethisch fragwürdigen und ökologisch schwierigen Bedingungen abgebaut werden – etwa Lithium, Kobalt und Nickel. Das sei definitiv ein Problem, erklärt Regett. Deshalb sei es wichtig, die Batterieherstellung deutlich ressourceneffizienter zu machen. Die Weiter- und Wiederverwertung der Metalle sei ebenfalls ein relevanter Punkt: «Technisch möglich ist das Wiederverwerten schon. Aber bei Lithium etwa lohnt es sich ökonomisch noch nicht.»
Manche Fachleute vermuten auch, dass der Einsatz von Elektroautos einen problematischen «Rebound»-Effekt haben könnte. Damit ist gemeint, dass etwas letztlich zum Gegenteil des ursprünglich mit der Maßnahme Beabsichtigten führt. In diesem Fall wäre die Annahme: Der Konsument nutzt das E-Auto, das er als umweltfreundlich empfindet und für das er relativ viel Geld ausgegeben hat, öfter, als er seinen konventionellen Pkw nutzen würde. Er ersetzt beispielsweise Fahrten mit dem Rad oder öffentlichen Nahverkehr durch Fahrten mit dem Elektro-Auto. Daten aus einer Studie von 2014 aus Norwegen – einem Land mit vielen E-Autos – legen diesen Effekt tatsächlich nahe.
Nichtsdestotrotz ist die Mehrheit der Experten in Deutschland von batteriebetriebenen Autos überzeugt. «Im Pkw-Bereich sehe ich keine Alternative zum E-Auto, was den Klimaschutz angeht», fasst Kasten zusammen. Die Antriebswende alleine reiche allerdings nicht aus, betont er: «Die Grundvoraussetzung für den Klimaschutz im Verkehr ist, dass wir vermehrt auf den viel effizienteren öffentlichen Verkehr umsteigen – und insgesamt den Verkehr reduzieren.»
Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)