Golf in der Heimat von Kaimanen – Rios umstrittenes Grün

Rio de Janeiro – Wenn die Golfprofis um Martin Kaymer und Alex Cejka am Donnerstag zum ersten olympischen Abschlag seit 112 Jahren ansetzen, haben sie die ersten Hindernisse bereits überwunden. Den Spott einiger Kollegen ebenso wie die Klagen mancher Umweltschützer.

Denn Kritiker monieren, dass der Golfplatz in der Nähe des Atlantiks direkt am Naturschutzgebiet Marapendi errichtet wurde. «Einen dritten Golfplatz braucht man in Rio de Janeiro sicher nicht», sagte etwa Dawid Danilo Bartelt, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Brasilien. Und der sportliche Wert des Golf-Comebacks leidet unter der Absage der Besten: Nur 17 Spieler der Top 50 sind in Rio dabei.

Offiziell gehört der eigens für die Spiele errichtete Park zu einem Projekt zur ökologischen Regeneration. Auf dem weitläufigen Gelände im Umfeld des Golfplatzes sind mitunter Faultiere, Capybaras – bis zu 1,30 Meter lange Nagetiere – und Kaimane – eine Unterfamilie der Alligatoren – zu finden. Ein Biologen-Team soll die Alligatoren notfalls während der Golfrunden an einen anderen Ort bringen. Eine Gefahr für Zuschauer und Athleten bestehe aber nicht – Ziel sei es, die Tiere zu schützen, berichtete die Zeitung «Folha de S. Paulo».

Doch Umweltschützer befürchten eine Verdrängung der Tiere, einige bezeichneten IOC-Präsident Thomas Bach als «nature killer». Früher war die Gegend ein öffentliches Naherholungs- und Naturschutzgebiet, nun sind mit Sicht auf den Golfplatz Luxus-Appartments hochgezogen worden. Einer der Klageführer gegen den Golfplatz, der Anwalt Jean Novaes sagt, einer der größten Immobilienmogule in Rio de Janeiro, Pascuale Mauro, habe hier unter dubiosen Umständen Bauland bekommen.

«Er ist der größte Usurpator von Land in der Stadt.» Zudem habe er hier viel höher bauen dürfen, als bisher erlaubt – zuvor habe er 2012 mit mehreren hunderttausend Reais die Wahlkampagne von Bürgermeister Eduardo Paes unterstützt. Mauro hat hier rund 60 Millionen Reais (17 Millionen Euro) in das Gelände investiert.

Auch sportlich wirft der neue Platz Fragen auf. Die Athleten tun sich schwer damit, den Kurs einzuschätzen. «So eine Art von Golfplatz habe ich auch noch nicht gespielt, weil es noch nicht richtig eingewachsen ist», sagt der zweimalige Majorsieger Kaymer. «Es ist ein breiter Golfplatz. Das heißt, man muss vom Abschlag nicht perfekte Schläge machen. Wenn es Richtung Fahne geht, muss es schon genauer sein.»

Auf eine Medaille hofft Kaymer zwar, sein Facebook-Profil ziert der Slogan «Going for Gold». Aber: «Die Chancen sind ganz schwer einzuschätzen.» Auch Deutschlands zweiter Starter Cejka sieht eine Medaille für sich in Reichweite. Ob der Golfsport nach den Spielen in Brasilien noch eine Zukunft hat, sieht selbst Rios Bürgermeister Paes skeptisch. «Das ist kein beliebter Sport in Brasilien. Aber manche Dinge muss man machen, wenn man Olympia ausrichtet», sagte er nach der Fertigstellung des Geländes im Herbst. Ganz anders als Carlos Nuzman, Chef des Organisationskomitees: «Es ist eine Chance für Golf, sich in einer neuen Region der Welt zu entwickeln.»

Sobald das Gelände seinen Zweck mit dem historischen Golf-Comeback erfüllt hat, sollen alle Cariocas, die Einwohner von Rio, von dem Golfplatz profiteren. Mit dem Schläger in der Hand. Denn ein Golfplatz soll das Grün über die Spiele hinaus bleiben. Mit Capybaras und Kaimanen als Nachbarn.

Fotocredits: Erik S. Lesser,Facundo Arrizabalaga,Erik S. Lesser
(dpa)

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