Goldene Olympia-Woche stärkt deutsche Hoffnungen
Pyeongchang – Die Wintersportmacht Deutschland ist nach der ersten Olympia-Halbzeit in Pyeongchang auf einen Spitzenplatz zurückgekehrt und will jetzt noch mehr.
Genug Trümpfe gibt es noch im deutschen Team, um im Duell mit den Norwegern erstmals nach Turin 2006 wieder die Medaillenwertung zu gewinnen und das Debakel von Sotschi mit nur 19 Edelplaketten und Rang sechs in ein milderes Licht zu tauchen.
«Wir glauben, dass wir das Potenzial haben, auch in der zweiten Woche erfolgreich zu sein, aber nicht die Garantie», sagte Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig nach der ersten Woche mit 17 (9 Gold/4 Silber/4 Bronze) Medaillen bis Sonntag. Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi waren es nach der ersten Olympia-Hälfte zwölf Medaillen – darunter sieben aus Gold -, denen nur sieben weitere folgten. Schimmelpfennig verwies darauf, dass sein Team mit dem Pyeongchang-Zwischenstand auf dem Level von Vancouver 2010 sei, als die DOSB-Asse 30 Medaillen holten.
Für den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbund war es ein «gelungener Auftakt» mit Athleten, die «perfekte Botschafter» ihres Landes sind, befand Alfons Hörmann. Begeistert war auch sein Vorgänger Thomas Bach, der als Präsident des Internationalen Olympischen Komitee das Deutsche Haus besuchte. «In der ersten Woche so viele Medaillen zu sammeln, davon neun goldene, das ist wirklich unbeschreiblich», lobte er. Wie er den DOSB kenne, wolle er mehr in der zweiten Woche, «und ich hoffe, dass es so weitergeht».
Als Kapitän bei der olympischen Havarie von Sotschi mag Hörmann von Hochrechnungen und hohen Erwartungen nichts wissen. «Zufrieden heißt aber nicht selbstgefällig, sondern hochkonzentriert und mit gebotener Demut weiter zu machen», warnte er.
Schließlich scheint Biathlon-Ausnahmekönnerin Laura Dahlmeier nach dem goldenen Doppelschlag und einen weiteren Bronze-Gewinn etwas die Puste ausgegangen zu sein. Dennoch: In den Damen- und Mixed-Staffeln ist alles möglich, ebenso bei den Biathlon-Herren. Außerdem wirken die deutschen Bobs stark genug, um sich für die Totalpleite von Sotschi ohne Medaillen zu rehabilitieren. Überflieger Andreas Wellinger hat nach Olympiasieg und Silber im Einzel nun mit dem Skisprung-Team ebenso Gold in Aussicht wie Fahnenträger Eric Frenzel mit seinen Kollegen in der Nordischen Kombination.
Die schon bemerkenswerte Medaillenausbeute und große Momente wie die goldene Paarlauf-Kür von Alona Savchenko und Bruno Massot – weltweit als beglückend-berührendes Jahrhundert-Meisterwerk gefeiert – dürften nach Ansicht des DOSB-Chefs nun nicht Anlass sein, die Modernisierung des deutschen Spitzensports zu beenden. «Mit «Staunen und Schmunzeln» hätte er registriert, dass nach den starken Olympia-Start ein «Abgesang auf die Leistungssportreform» zu hören sei, so Hörmann.
«Jetzt in den Wir-lehnen-uns-mal-zurück-Modus zu gehen, wäre das falscheste Signal, das wir geben können», betonte er. Wer meinte, das olympische Niveau mit den bisherigen Strukturen und Mitteln halten zu können, werde sich spätestens bei den Spielen 2022 in Peking «mit schmerzverzerrtem Gesicht» an Pyeongchang erinnern.
Vielmehr nutzte er die Gunst der Stunde auch angesichts der weiteren Unsicherheit bei der Bildung einer neuen Bundesregierung in Berlin, um konkret vorzurechnen, was mehr an öffentlichen Fördergeld notwendig ist, um bei Winter- und Sommerspielen Weltspitze zu sein. «Der Korridor des Mittelaufwuchses geht in die Größenordnung von 70 bis 130 Millionen Euro pro Jahr», erklärte Hörmann. Da nicht alle Details der Spitzensportreform geklärt seien, könne der Gesamtbedarf «bis auf die letzte Million» noch nicht berechnet werden.
Wie entscheidend mehr Fördergeld ist, zeigt sich am Beispiel der deutsche Ski-Freestyler, die sich wie in Vancouver und Sotschi auf olympischem Terrain als nicht konkurrenzfähig erwiesen. In Deutschland gibt keine effektive leistungssportliche Struktur für die Disziplinen Slopestyle und Halfpipe. «Deswegen sind wir auch nur zweit- und drittklassig», sagte Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes. Es bräuchte ein Budget von etwa 600 000 bis 650 000 Euro pro Jahr, um auf Weltniveau mithalten zu können.
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(dpa)