Genfer Salon ist Startschuss für E-Autos in Europa
Genf/Duisburg – In den Messehallen des
Genfer Autosalons(7. bis 17. März) summt und surrt es – und zwar nicht etwa, weil Frühling ist und sich liebestolle Insekten in die Hallen des Palexpos verirrt hätten. Die Hersteller zeigen vielmehr neue E-Autos.
Sie fahren vor als serienreifer Prototyp wie der Honda E Prototype. Oder sie sind schon Serienautos wie der Kleinwagen Peugeot E-208. Dazu gesellen sich Konzepte wie der ID Buggy von VW und serienreife Studien von Seat und Audi. Selbst Supersportwagen wie Pininfarina Battista und die Studie Piëch Mark Zero sind waschechte Stromer. Autoexperte Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen erklärt den Boom.
Ist das Elektroauto nun fest angekommen – oder trügt das Bild vom Genfer Autosalon?
Prof. Ferdinand Dudenhöffer: Der Durchbruch des Elektroautos wurde in den letzten Jahren jährlich in Genf verkündet. Dieses Mal ist es aber glaubhaft. Hauptgrund ist die EU-Kommission mit den neuen CO2-Vorgaben und das Diesel-Eigentor der Autobauer. Ein Zurück zum Diesel gibt es nicht mehr, also bleibt allen nur, mit Volldampf ins Elektrozeitalter zu fahren, auch das ist die Botschaft von Genf. Genf gibt den Startschuss für das Ausrollen der Elektroautos in Europa.
Die Preise für E-Autos sind immer noch hoch. Wann und wie werden sie endlich bezahlbar?
Dudenhöffer: Es gibt mit dem Renault Zoe oder Nissan Leaf heute bereits Elektroautos mit vernünftiger Reichweite und bürgerlichem Preis. Aber der ganz große Preisschub wird noch etwas dauern. Batteriezellen sind knapp, die Kapazitäten werden derzeit erst errichtet. Nach dem Jahr 2023 ist dieser Engpass beseitigt, und dann wird im Batteriezellgeschäft der Druck auf die Preise steigen. Dann wird das teuerste Teil des Elektroautos, die Lithium-Ionen-Batterie, preisgünstiger. Also müssen wir noch ein paar Jahre mit höheren Preisen leben.
Zum anderen bauen die heutigen Elektroautos noch nicht auf spezifischen Elektrofahrzeug-Plattformen auf. Das kommt aber etwa mit der VW-ID-Familie. Damit werden beim Autobauer deutliche Kostenverbesserungen erzielt. Auch hier heißt es also noch etwas Preisgeduld. Aber ich bin sicher, dass die Autobauer die Elektroautos in den nächsten Jahren intern subventionieren werden, und das hilft dem Kunden beim Preis.
Werden nicht genügend Elektroautos verkauft, werden hohe Strafzahlungen wegen der Verletzung der EU-CO2-Werte nach 2021 anfallen. Also muss der Autobauer den Verkauf anschieben. Und das geht nur mit besseren Preisen. In einer Modellrechnung sind wir zum Ergebnis gekommen, dass pro Elektroauto bis zu 10 000 Euro Strafzahlungen vermieden werden können. Also: Der Druck beim Autobauer, Elektroautos günstig zu machen, kommt implizit aus Brüssel von der EU. Mittelfristig, um das Jahr 2025, liegen E-Autos auf dem Preisniveau der heutigen Diesel. Und dann geht die Post richtig ab.
Sie erwähnten ja schon den elektrischen Baukasten von VW. Was heißt das für die Kunden?
Dudenhöffer: Für die Kunden heißt das bessere Preise, denn mit Plattformen oder Baukästen-Architekturen lassen sich die Kosten deutlich senken. Wenn ein Teil nicht nur in einem Modell, sondern gleich in vier oder fünf Modellen verwendet wird, kann es deutlich kostengünstiger hergestellt werden. Es ist wie beim Lego-Baukasten: Wenn Sie 100 unterschiedliche Steinchen brauchen, um ein Haus zu bauen, wird das Haus eben teurer im Vergleich zu nur 10 unterschiedlichen Klötzchen.
Die Vielfalt in Genf zeigt: Ein einheitliches Design für E-Autos scheint es nicht zu geben. Welchen Freiraum gewinnen Designer durch den elektrischen Antrieb? Wo spüren das die Kunden?
Dudenhöffer: Der Motorraum wird wesentlich kleiner, dafür brauchen wir Platz für Batterien. Damit werden wir mit den Elektroauto einen kürzeren Vorderbau haben. Das ist sicher ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Auch Kofferraum vorne und hinten ist jetzt möglich. Für die Designer beginnt eine neue Ära. Das Auto wird auch vom Erscheinungsbild mit dem E-Auto neu definiert.
Rollen in zehn Jahren die Autos des Genfer Salons alle elektrisch? Reden wir dann noch über Dinge wie Reichweite und Ladezeiten? Oder lassen wir uns nur noch fahren?
Dudenhöffer: 2029 werden mehr als zwei Drittel der Autos auf dem Genfer Salon reine E-Autos sein. Der Rest sind dann Hybride, Plug-in-Hybride und ein paar klassische Verbrenner wie der Porsche 911. Aber Diesel-Pkw wird man mit Sicherheit nicht mehr in Genf sehen. Die Reichweitenangst wird dann eher noch eine Anekdote sein, so wie man 1950 unsicher war, ob man denn mit dem Käfer heil über den Brenner kommt.
Und zu den Ladezeiten: Mit den Schnellladenetzen geht es dann nach 10 oder 15 Minuten und einer Tasse Kaffee auf der Autobahn wieder auf die nächsten 400 Kilometer. Dabei wird man auf Autobahnen sicher mit dem Autopilot gut unterwegs sein. Vollständiges autonomes Fahren wird in Deutschland und Europa da sicher noch nicht möglich sein. Wir sind langsam in Berlin und Brüssel. Einmal unsere Schneckentempo-Gesetze, und noch schlimmer: unsere Infrastruktur. Wer 2029 autonom fahren will, muss nach China oder Kalifornien gehen.
Fotocredits: Nicolas Blandin
(dpa/tmn)